Krippenspiele: Was wäre möglich, wenn wir unsere Rolle verlassen und »das Spiel« mutig unterbrechen würden? | Foto: AdobeStock/marianstock
Predigt
Dezember 2023

Spielunterbrechung
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Impuls Weihnachten 12.12.2023
Die Zieglerschen, Wilhelmsdorf
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
jetzt vor Weihnachten werden sie eingeübt. Die Krippenspiele. Das war auch in einer kleinen Gemeinde so. Der Wirt des Gasthauses »Zum Löwen« stellt großzügig seinen Saal zur Verfügung. Die Rollen werden verteilt. Die Mädchen drängen sich vor für die Rolle der Maria. Die älteren Jungen wollen unbedingt Josef sein. So diplomatisch wie möglich verteilt der Spielleiter die Kinder. Bei den Hirten, Königen und Engeln gibt es keine Probleme. Doch niemand will den bösen Gastwirt spielen.
Am Ende ist nur noch Roberto übrig. Der Sohn eines italienischen Gastarbeiterehepaares. Er wird vor die Wahl gestellt: Entweder er spielt den bösen Wirt – oder er spielt gar nicht mit. Schweren Herzens entscheidet er sich für die Rolle des Gastwirtes. Irgendwie scheint das auch zu passen. Seine Eltern arbeiten in der Küche in einem Gasthaus.
Die Proben beginnen. Und Roberto hat jedes Mal ein Problem. Er bringt es einfach nicht übers Herz, Maria und Josef wegzuschicken und ihnen die Tür vor der Nase wieder zuzuschlagen. Vielmehr freut er sich jedes Mal daran, das heilige Paar zu bewirten und ihnen ein Zimmer zur Verfügung zu stellen.
Das geht natürlich nicht und er bekommt Ärger mit dem Spielleiter. Der macht ihm deutlich, dass er die ganze Aufführung kaputt macht mit seiner Eigenwilligkeit. Wenn er sich nicht beherrscht und seine Rolle spielt, kann das Spiel nicht weitergehen. Und so spielt er den bösen Wirt und schmettert Maria und Josef die Worte entgegen: »Nein, von mir bekommt ihr kein Zimmer! Gesindel, verschwindet!«
Dann kommt die Aufführung. Alle sind gekommen. Und es geht los. Maria und Josef suchen eine Herberge. Sie klopfen an. Er öffnet die Tür und ruft mit finsterem Blick: »Fort, geht weg; hier ist kein Platz für Euch.« Aber dann hat er eine Idee. Sein Blick hellt sich auf und er ruft: »Halt! Ihr könnt ja auch nur kurz hereinkommen und euch aufwärmen. Ich mache euch eine Tasse Tee. Aber dann muss ich euch wegschicken. Das Spiel muss weitergehen!« Man kann sich vorstellen, was das für ein Durcheinander gegeben hat.
»The show must go on!«, so heißt es auf Englisch. Das Spiel muss weitergehen.
»The show must go on!«, so heißt es auf Englisch.
»The show must go on!« – das Spiel muss weitergehen.
Wie oft wird Gutes verhindert, weil »das Spiel« weitergehen muss.
Was könnte alles möglich sein, wenn wir dieses Spiel unterbrechen?
Wie oft wird im Leben Gutes verhindert, weil »das Spiel« weitergehen muss. Weil wir wie Roberto eine Rolle spielen müssen. Weil wir meinen, das tun zu müssen, was andere von uns erwarten. Und was könnte alles möglich sein, wenn wir dieses Spiel mutig unterbrechen würden. Gutes tun, auch wenn alle anderen es nicht tun. Von dem, was wir haben, etwas abgeben. Türen öffnen, Zeit haben, zuhören, da sein. Was könnte alles möglich sein, wenn wir unserem Herzen folgen? Und – dieses Spiel unterbrechen.