Mit mehreren Wandbildern wird in Miami, Florida, an Martin Luther King erinnert | Bildnachweis: Photo courtesy of the GMCVB

Andacht

Mai 2018

Gerechtigkeit

Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann

Impuls bei der Gesamt-Mitarbeitenden-Versammlung Wilhelmsdorf, Altshausen, Weilheim, 18.05.2018

Am Beginn der Gesamt-Mit­ar­bei­ten­den-Ver­samm­lung möchte ich an den Todes­tag einer bekann­ten Per­son erin­nern und dazu einige Linien zur Bibel und zu uns als Zieg­ler­sche zie­hen. Zunächst zur Per­son. Ich lie­fere Ihnen nach und nach einige Infor­ma­tio­nen und Sie können über­le­gen, wen ich mei­nen könnte.

Wenn diese Per­son noch leben würde, wäre sie 89 Jahre alt.
Die Per­son ist ver­hei­ra­tet und hat vier Kin­der.
Auch wenn das eigent­lich keine Rolle spie­len sollte, ist es wich­tig, die Haut­farbe zu nen­nen: Die Per­son hat eine schwarze Haut­farbe.
Das Geschlecht: männlich
Der Vor­name: Michael oder wie in sei­nem Hei­mat­land den USA aus­ge­spro­chen: Michael.
Sein Nach­name: King.
Sein Vater gibt ihm im Alter von 5 Jah­ren einen ande­ren Vor­na­men, weil er Mar­tin Luther bewun­derte. Mit die­sem geänder­ten Vor­na­men und sei­nem Nach­na­men ist er dann bekannt gewor­den: Mar­tin Luther King.

Mar­tin Luther King starb am 4. April 1968 im Alter von 39 Jah­ren durch den Gewehr­schuss eines bezahl­ten Kil­lers.

Wie konnte es dazu kom­men? Was hat das Leben von Mar­tin Luther King geprägt?

Er selbst erzählt, wie er schon als Kind immer wie­der schmerz­lich erle­ben musste, was es heißt, ein Schwar­zer, ein »Neger« zu sein – und »Neger« ist als Schimpf­wort zu ver­ste­hen. Ein­mal nimmt ihn sein Vater mit in ein Geschäft, um Schuhe zu kau­fen. Sie set­zen sich hin. Da kommt der Weiße, dem das Geschäft gehört und sagt: »Hier vorn im Laden dürfen Sie nicht sit­zen. Neger müssen hin­ten sit­zen, hin­ter dem Vor­hang. Wenn weiße Kun­den kom­men und in mei­nem Laden einen Neger sehen, oder sogar zwei, dann wer­den sie abge­schreckt und kau­fen nichts.« Der Vater ant­wor­tet: »Dann wer­den wir unsere Schuhe eben woan­ders kau­fen!«

Ein ande­res Mal waren sie mit dem Auto unter­wegs. Bei einer Ver­kehrs­kon­trolle sagt ein Poli­zist zu Mar­tin Luther Kings Vater: »Hey, Boy, zeig mal dei­nen Führer­schein!« Der Vater zeigt auf sei­nen Sohn und sagt: »Der Kleine da, das ist ein Boy. Ich bin ein erwach­se­ner Mann. Reden Sie mich bitte mit ‚Sir‘ an, sonst werde ich nicht auf Sie hören.«

Mar­tin Luther King hat diese bei­den Erleb­nisse nie ver­ges­sen, noch oft hat er später davon erzählt: »Ich war trau­rig und zor­nig darüber, wie wir Schwar­zen von den Weißen behan­delt wur­den. Größer aber noch als mein Zorn über die Weißen war die Ach­tung vor mei­nem Vater, der sich nicht hatte einschüchtern und sich nicht zu belei­di­gen­den oder gehässi­gen Wor­ten gegen den Schuh­verkäufer und den Poli­zis­ten hatte hin­reißen las­sen.«

Was ihn auch prägt und sein Leben, sein Den­ken und Han­deln beein­flusst, das ist sein christ­li­cher Glaube. Wenn er gegen Unge­rech­tig­keit und Bos­heit kämpft, dann tut er das auf der Grund­lage sei­nes christ­li­chen Glau­bens. Er ist über­zeugt davon, dass das, was ihm und sei­nen schwar­zen Schwes­tern und Brüdern ange­tan wird, nicht mit dem zusam­men­passt, was Jesus will. Und er ist davon nicht nur theo­re­tisch über­zeugt, son­dern lebt es auch ganz prak­tisch.

Er ist überzeugt, dass das, was ihnen angetan wird, nicht mit dem zusammenpasst, was Jesus will.

Viel­leicht haben man­che den Buss­treik in Mont­go­mery im Gedächt­nis: Am 1. Dezem­ber 1955 wird Rosa Parks, eine schwarze Näherin, ver­haf­tet, weil sie es wagt, ihren Bus­platz einem Weißen zu ver­wei­gern. Darauf­hin ruft eine Gruppe schwar­zer Frauen zum Bus­boy­kott auf. Die schwar­zen Kir­chen­ge­mein­den unterstützen die­sen Auf­ruf. Fast alle Afro-Ame­ri­ka­ner machen mit.

Zwei Tage später wird der 26-jährige Mar­tin Luther King zum Präsiden­ten der Verei­ni­gung gewählt, die den Boy­kott orga­ni­siert. Es wird beschlos­sen, dass der Boy­kott, der ursprünglich nur einen Tag dau­ern sollte, auf unbe­stimmte Zeit fort­ge­setzt wird. Der Boy­kott hat von den Betei­lig­ten sehr viel abver­langt. Sie muss­ten oft meh­rere Stun­den lang zu Fuß zur Arbeit gehen.

Schon damals gab es Men­schen, die sich Mar­tin Luther King als Ziel­scheibe aus­ge­sucht hat­ten. 8 Wochen nach­dem der Bus­boy­kott begon­nen hatte, wer­fen Unbe­kannte eine Bombe auf die Veranda des Hau­ses, in dem King mit sei­ner Fami­lie wohnte. Er selbst ist zu die­sem Zeit­punkt in der Kir­che. Seine Frau Coretta, Toch­ter Jolanda und eine Freun­din flüchten in ein rückwärti­ges Zim­mer. King kommt so schnell es geht, um der Fami­lie bei­zu­ste­hen. Inzwi­schen hat sich eine große Men­schen­menge ver­sam­melt. Die auf­ge­staute Wut ist mit Händen zu grei­fen. Die Menge der ent­setz­ten und empörten Schwar­zen steigt ständig an. Es wer­den Anschul­di­gun­gen gegen die Poli­zei laut. Da tritt M.L. King auf die zerstörte Veranda. Alle sind gespannt, was er sagen wird: Sein Haus war ange­grif­fen wor­den; seine Frau und seine Toch­ter hätten getötet wer­den können. Ernst und gefasst steht er vor der wüten­den Menge: »Mei­ner Frau und mei­nem Kind ist nichts pas­siert. Bitte, geht nach Hause! Legt die Waf­fen weg! Wir können dies Pro­blem nicht durch Ver­gel­tung lösen. Wir müssen der Gewalt mit Gewalt­lo­sig­keit begeg­nen. Wir müssen unsere weißen Brüder lie­ben, gleichgültig, was sie uns antun. Und Jesus ruft uns über die Jahr­hun­derte hin­weg zu: Lie­bet eure Feinde! Dies müssen wir leben. Wir müssen Hass mit Liebe ver­gel­ten.«

Viele wei­nen. Man­che rufen: »Amen« und »Gott segne Dich«. Dann zer­streut sich die Menge. Man hört die Stimme eines weißen Poli­zis­ten: »Ohne den Nig­ger-Pre­di­ger wären wir jetzt alle tot.« Es ist ein ständi­ges Auf und Ab. In die­sem Kampf um Gerech­tig­keit. Auf der einen Seite zei­gen sich Präsiden­ten, Gelehrte und Gou­ver­neure nur zu gern mit ihm und wol­len an sei­ner Popu­la­rität teil­ha­ben.

Spätes­tens dann, als er 1964 den Frie­dens­no­bel­preis erhält.

»Meiner Frau und meinem Kind ist nichts passiert. Bitte, geht nach Hause! Legt die Waffen weg!«

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