Predigt
Januar 2022
Willkommen
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Eröffnung der Vesperkirche in Ravensburg am 24.01.2022 – Gottesdienst, Stadtkirche Ravensburg
Liebe Gemeinde,
Jesus Christus spricht: »Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.« – Was für ein schöner, einladender Bibelvers. Die Jahreslosung für das Jahr 2022. Ein Leitvers wie gemacht für uns in der Vesperkirche! »Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.« Ein Wort Jesu voller Verheißung – und für uns genauso auch ein großes Problem. Bibelvers trifft Realität.
Jesus lädt alle ein. Weist niemanden ab. Das soll auch für uns in der Vesperkirche gelten: Wer kommt, den werden wir nicht abweisen. Alle sind willkommen. Mitten in einer Welt, in der Menschen so viel Abweisung erfahren. Aber auch mitten in einer Situation, wo wir dieses »Willkommen« nicht so einfach umsetzen können. Weil Menschen wegen ihres Impfstatus nicht überall reinkönnen.
Ob reich oder arm. Wir sitzen alle an einem Tisch und essen gemeinsam. So haben wir es die ganzen Jahre über gehalten. Ob Viel-Redner oder Wenig-Worte-Macher. Wir begegnen einander und wer mag, kann sich unterhalten. Das war schön. Ob perfekt gestylt oder nicht. Niemand wird schräg angeschaut. Wer Bedarf hat, geht zum Friseur. Und das alles mitten in der Kirche.
Das Gotteshaus sprichwörtlich als Herberge. Mit Wegzehrung, Wärme und Gemeinschaft. Unter dem Kreuz, vor dem Altar. Aufgehoben in einem Raum, der für das Vertrauen zwischen Menschen und Gott steht.
Ob reich oder arm, Viel-Redner oder Wenig-Worte-Macher, perfekt gestylt oder nicht. Wir begegnen einander.
So haben wir Vesperkirche hier in der Stadtkirche schon viele Jahre erlebt (mit Video).
Peter Raab (Gast): »Das war so, dass ich das erste Mal darüber gehört habe in Stuttgart. Damals hatte ich Vorurteile, in Stuttgart waren das meiste drogensüchtige Leute und wohnsitzlose Leute. Als ich jetzt das erste Mal hierhergekommen bin, habe ich gemerkt, hier sind ganz andere Menschen. Du kannst dich mit allen unterhalten, du kannst dich mit allen auseinandersetzen und hast eine gute Gemeinsamkeit. Vor allem werden dir auch Dinge angeboten, die sonst für viele Leute gar nicht machbar sind, dass sie beispielsweise zum Frisör gehen können.«
Hannelore Pfeffer (Ehrenamtliche): »Die Vesperkirche bedeutet Begegnung. Das waren, als ich angefangen habe, so kleine Schritte rein und inzwischen ist es einfach auch Heimat, da ich mich wohlfühle mit den Gästen, mit den Mitarbeitern, mir gefallen die Aufgaben, die man machen kann und es ist ein Miteinander von der Gesellschaft, das ich sonst sehr vermisse.«
Peter Raab (Gast): »Und vor allem jetzt zu Corona-Zeiten wäre es richtig schön, wenn das wäre. Denn man hat ja doch eine gewisse Isolation. Da wirst du halt auch ein bisschen bedeppert und depressiv. Und das könnte das natürlich kompensieren.«
Vesperkirche – offen für alle. Das ist unser Motto. Oder sollte ich besser sagen: Das war unser Motto? Denn – wie im letzten Jahr stecken wir auch in diesem Jahr mitten in der Corona-Pandemie. Als Verantwortliche haben wir in den vergangenen Wochen um eine gute Entscheidung gerungen. Aber – was ist überhaupt gut in dieser Situation?
Offen für alle. Das ist unser Motto. Oder sollte ich besser sagen: Das war unser Motto?