Predigt
Juli 2019
Sehnsucht nach Heimat
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Impuls zu Psalm 84 und Hebräer 13,14
Paulinenfest, 07.07.2019
Und wo sind Sie zu Hause? Wo ist Ihre Heimat? Stellen wir uns doch einmal vor, wir hätten dieselbe Aufgabe wie die jungen Erwachsenen in der Berufsschulstufe und im Bildungspark. Wir müssen einen Gegenstand auswählen, mit dem wir unsere Heimat vorstellen. Was für ein Gegenstand könnte das sein? Ein Sessel, in dem ich abends sitzen kann? Ein Liegestuhl, mit dem ich an meinem Lieblingsplatz in der Sonne liegen kann? Meine Kopfhörer, mit denen ich ungestört meine Musik hören kann? Oder vielleicht mein Bett, in dem ich sicher, warm und geborgen schlafen kann?
Diese Gegenstände zeigen: Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle. Wo ich sicher und geborgen bin. Heimat ist aber noch mehr. Ich zähle noch ein paar weitere Gegenstände auf, die Heimat verdeutlichen könnten.
• Ein Tisch, an dem wir uns zum Essen und zum Reden treffen.
• Ein Fußballplatz, wo wir miteinander spielen können.
• Ein Fest, wo wir anderen begegnen können.
• Eine Kirche, wo wir gemeinsam Gottesdienst feiern können.
Beim Nachdenken merke ich: Heimat hat vielleicht gar nicht so sehr mit Orten, Häusern oder Wohnungen zu tun. Heimat, das ist ein »wir«. Also Menschen, mit denen ich verbunden bin. Menschen, die mir etwas bedeuten. Menschen, die zu mir gehören und zu denen ich gehöre. Menschen, die mir das Gefühl geben, zu Hause zu sein. Der Philosoph Karl Jaspers hat formuliert: »Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde.« Ja, das braucht es, um zu Hause zu sein. Jemand, der mich versteht und jemand, den ich verstehe.
Ich lade Sie ein, in dieser Predigt darüber nachzudenken, wo unsere Heimat ist und was das mit Gott zu tun hat. Drei Gedanken dazu:
1. Heimat finden
2. Heimat gestalten
3. Auf die Heimat zugehen
Heimat hat vielleicht gar nicht so sehr mit Orten, Häusern oder Wohnungen zu tun. Heimat, das ist ein »wir«.
1. HEIMAT FINDEN
In der Bibel gibt es einen Psalm, in dem davon die Rede ist, wie ein Mensch bei Gott Heimat findet.
Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth ...
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen,
deine Altäre, HERR Zebaoth.
Wenn da von Vorhöfen des Tempels und von Altären die Rede ist, könnte man meinen, dass es hier vor allem um den Tempel geht. Den Tempel als besonderen Ort. Den Tempel als heiligen Ort. Doch der Tempel ist vor allem deshalb wichtig, weil der Psalmbeter an diesem besonderen Ort Gott findet. Hier erlebt er die Gegenwart Gottes. Hier weiß er sich verstanden. Und hier lernt er, Gott zu verstehen.
Er findet Heimat bei Gott.
Heißt das nun, dass wir nach Jerusalem reisen müssen, um an der Klagemauer zu beten? Finden wir nur dort Heimat bei Gott? Es ist ganz interessant zu beobachten, wie sich in der Bibel das Verständnis dafür, wo Gott zu finden ist, weiterentwickelt. Die Israeliten haben in ihrer langen Geschichte gemerkt: Gott ist nicht an ein Heiligtum gebunden. Gott kann man überall finden. Gott geht mit. Er ist dabei. Überall. An jedem Ort.
Ich möchte beispielhaft eine Geschichte aus der Arbeit der Zieglerschen erzählen. Ich denke, dass Sie ganz ähnliches auch in der Paulinenpflege erlebt haben.
Wir haben einen Gottesdienst in der Haslachmühle gefeiert. In der Haslachmühle leben Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Hör-Sprach-Behinderung und einer geistigen Behinderung. Wir haben dort einen Abschiedsgottesdienst gefeiert, weil Menschen umgezogen sind. Teilweise haben sie viele Jahre dort gewohnt und die Haslachmühle war ihnen zur Heimat geworden. Und jetzt haben sie es gewagt, aufzubrechen.
An einen neuen Ort. Die Hoffnung, aber auch die Angst war beim Abschiednehmen zu spüren. Die Sehnsucht danach, am neuen Ort Menschen zu treffen, die Gebärden verstehen und von denen man verstanden wird. Die Sehnsucht danach, am neuen Ort Heimat zu finden.
Um deutlich zu machen, dass Gott mitgeht und dabei ist, haben wir denen, die ausgezogen sind, Gottes Segen zugesprochen und ihnen ein kleines Holzkreuz mitgegeben. Der Segen war in ganz einfachen Worten gehalten: Jesus hat dich lieb. Er ist bei dir. Heute und morgen. Hier und an jedem Ort. Jesus segnet dich.
Dieser Abschiedsgottesdienst zum Umzug hat nicht nur den Bewohnern der Haslachmühle gutgetan, sondern auch mir. Mir hat dieser Gottesdienst gezeigt, wie wichtig es ist, eine Heimat bei Gott zu haben. Eine Heimat, die unabhängig ist vom Wohnort. Dass ich überall wissen und spüren kann: Gott versteht mich und von ihm werde ich verstanden. Und mir hat dieser Gottesdienst auch gezeigt, dass es letztlich auf mein Vertrauen ankommt. Mein Vertrauen auf das, was Gott verspricht:
Ich habe dich lieb. Ich bin bei dir. Heute und morgen. Hier und an jedem Ort.
Heimat finden bei Gott – das war der erste Gedanke. Ein zweiter:
Mir hat dieser Gottesdienst gezeigt, wie wichtig es ist, eine Heimat bei Gott zu haben.