Predigt
Juni 2020
Mutig sein
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Predigt zu 2. Mose 3,1-14, Flughafengottesdienst
»Das Heilige im Blechle«, 21.06.2020
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben gibt es eine spannende Internetseite. Dort kann man eine Nachricht hinterlassen, wenn man etwas verpasst hat. Nein, nicht die Bahn oder den Bus, sondern einen ganz besonderen Augenblick. Das liest sich dann so: »Blonder Engel – Du, gestrahlt wie die Sonne im blauen Jumpsuit mit weißen Punkten. Am U Bahnhof Vinetastraße habe ich dir zum einsteigen und am U Bahnhof Eberswalder Straße zum aussteigen die Türen geöffnet. Ich habe mich leider nicht getraut, dich anzusprechen.« Oder ... »Du hast mich angelächelt und ich Depp hab nur Musik gehört und meinen Mund nicht aufbekommen.«
Wir sitzen ja jetzt im Auto – im Blechle. Da ist das noch schwieriger mit den besonderen Augenblicken. Und doch geht es heute im Gottesdienst genau darum. Um einen besonderen Augenblick – einen heiligen Moment. Denn besondere Augenblicke, das gibt es auch zwischen Gott und uns Menschen. Dass wir auf einmal spüren: Gott ist da. Ganz nah. Bei mir.
Wie kann das gehen? Dass der heilige Gott erlebbar wird? Vielleicht auch jetzt und hier im Blechle auf dem Parkplatz? Dadurch, dass ich offen dafür bin und diesen Moment aufmerksam wahrnehme. Und mich daran freue. An diesem und an anderen heiligen Momenten.
Das folgende Lied von LUX beschreibt solche Augenblicke, die zu heiligen Momenten werden können.
»Heilige Momente« – Gottesbegegnungen. Die Bibel ist voll davon. Eine ganz besondere Gottesbegegnung hat Mose erlebt. Und wer jetzt denkt: Na ja, vermutlich muss man für einen heiligen Moment mit Gott, selber ziemlich heilig sein, der täuscht sich.
Mose war so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir uns als Heiligen vorstellen. Er war Königssohn. Adoptiert – aber mit glänzenden Zukunftsaussichten. Bestens ausgebildet. Doch dann kam alles ganz anders. Denn er war auch zornig und gewalttätig. Mose sieht, wie ein Aufseher einen israelitischen Sklaven verprügelt. So sehr, dass der Sklave stirbt. Mose schlägt dann selbst zu. Und erschlägt den Aufseher. Danach haut er ab. So weit es geht. Er versteckt sich. Bei einer Familie, die ihm Obdach bietet und dort versucht er sich nützlich zu machen. Er hütet die Schafe.
Wir hören den Bibeltext aus dem zweiten Buch Mose, Kapitel 3:
2. Mose 3,1-14
Ein heiliger Moment im Leben von Mose. Ein heiliger Moment, der viel verändert. Ich lade ein, dass wir Geschichte miteinander entdecken.
1. Neugierig sein
2. Erschrecken
3. Mutig sein
Ein heiliger Moment, der viel verändert.
1. NEUGIERIG SEIN
Mose tut das, was er immer tut. Er hütet Schafe. Irgendwo im Nirgendwo. An diesem Tag treibt er die Schafe über den Rand der Steppe hinaus in die Wüste. Da muss es ziemlich öde gewesen sein. Nicht nur die Landschaft. Sondern auch das Schafe hüten. Was passiert da schon den lieben langen Tag? An diesem Tag passiert etwas Merkwürdiges. Ein Dornbusch brennt. Neugierig schaut Mose nach, was da los ist. »Das geht doch nicht!«, denkt er, »der Busch brennt und verbrennt nicht.«
Plötzlich hört er die Stimme: »Mose! Mose!« – »Hier bin ich!« antwortet er.
Wir sind nun nicht in der Wüste im Land Midian. Sondern auf dem Parkplatz P0. Karg und öde kann es hier auch sein. Vor allem in Corona-Zeiten. Wenn der Flugverkehr eingestellt ist. Wenn das pulsierende Leben zum Erliegen kommt. Wenn wir nur noch zu Hause sind. Oder infiziert werden. Shut-Down. Stillstand.
Wie ist das dann mit den »Heiligen Momenten« in solchen Tagen? Wie begegnet uns Gott in Corona-Zeiten?
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Interview: M. Krapf / M. Hiller
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Ein heiliger Moment. Wenn wir wissen: Gott ist da. Bei mir. Jetzt. In dieser Situation.
Vielleicht kennen wir das auch. Dass wir plötzlich merken: Das Leben ist viel tiefer. Im Alltag lebe ich oft nur an der Oberfläche. Ich tue das, was ich tun muss. Bin gefrustet. Weil es soviel Stress und Streit gibt. Und weil der Alltag manchmal öde ist. Und dann kommt so ein Erlebnis. Ich schramme haarscharf an einem Unfall vorbei. Und denke: Da hatte Gott seine Hand im Spiel und auf mich aufgepasst. Oder es kommt dieses Virus. Und ich stelle fest. Das Leben ist zerbrechlich. Mir werden die Begegnungen mit den Menschen, die mir nahestehen wichtiger. Weil sie besonders sind. Und weil ich merke: Wir sind aufeinander angewiesen.
Ob Gott hinter diesen Gedanken steckt? Ja, das denke ich. Weil ich glaube, dass Gott in uns lebt. Mit seinem Geist. Weil ich glaube, dass Gott mit uns redet. Durch sein Wort. Ich will in Zukunft aufmerksamer auf solche Momente achten. Und diese heiligen Momente nicht verstreichen lassen. An Gott denken. Mit ihm reden.
Danke sagen.
Danke für das Leben.
Danke für Bewahrung beim Autofahren.
Danke für das Durchtragen in schwierigen Zeiten.
Danke für heilige Momente im Alltag.
Die Geschichte von Mose geht noch weiter. Nach der Neugier kommt das Erschrecken.
Und dann kommt so ein Erlebnis. Ich schramme haarscharf an einem Unfall vorbei. Oder es kommt dieses Virus.