Wichtig ist, mit wie viel Liebe du arbeitest ... ein Moment bei der Zwergenfreizeit unserer Behindertenhilfe | Foto: Juri Deeken

Andacht

Oktober 2019

Was zählt, ist die Liebe

Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann

Führungskräfteklausur der Zieglerschen
Andacht am 15.10.2019

Vor kur­zem war ich in einem Got­tes­dienst, in dem eine Gruppe aus Indien zu Besuch war. Sie erzählten von ihrer Arbeit. Von der Arbeit mit Wai­sen-Kin­dern in 12 Kin­der­hei­men mit ins­ge­samt 700 Kin­dern. Von den Schu­len mit 1.200 Schülerin­nen und Schülern, in denen Kin­der der Zugang zu Bil­dung ermöglicht wird, die sonst keine Chance hätten. Von den Aus­bil­dungsstätten für Schlos­ser, Mecha­ni­ker, Elek­tri­ker, Kran­ken­pflege. Von der medi­zi­ni­schen Hilfe im Kran­ken­haus mit Schwer­punkt Geburts­hilfe, innere Medi­zin und All­ge­mein­chir­ur­gie. Von ihrem Zen­trum für Men­schen mit Behin­de­run­gen, von der ambu­lan­ten und sta­tionären Arbeit mit HIV-Infi­zier­ten. Von der Hilfe für Dalits – Kas­ten­lose, Unberührbare.

Zwei junge Frauen und junge Männer haben erzählt, wie ihnen diese Arbeit gehol­fen hat, ins Leben zu fin­den. Wie sie als Wai­sen aus­ge­setzt, vor der Tür des Kin­der­heims abge­stellt wur­den und dort ein Zuhause gefun­den haben. Men­schen, die sich um sie kümmern, sie unterstützen, sodass sie jetzt eine Aus­bil­dung oder ein Stu­dium absol­vie­ren können. Fas­zi­nie­rende Men­schen und eine beein­dru­ckende Arbeit für andere, die in Not sind und Hilfe brau­chen. Und das alles getra­gen von einer Kir­che, die über Opfer und Spen­den finan­ziert wird.

Ich war und bin beein­druckt. Von dem, was da über die Jahre mit einem großen persönli­chen Ein­satz der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter gewach­sen ist.

Mich hat das auch an die Zieg­ler­schen erin­nert. 1830 – vor fast 190 Jah­ren – wurde in Wil­helms­dorf die »Ret­tungs­an­stalt für arme und ver­wahr­loste Kin­der« gegründet, das war der Beginn der dia­ko­ni­schen Arbeit. 1857 – vor 182 Jah­ren – begann mit August Fried­rich Oßwald die Taub­stum­men­hilfe. Sein Schwie­ger­sohn Johan­nes Zieg­ler über­nimmt 1873 die Lei­tung. Viele Inves­ti­tio­nen müssen getätigt wer­den. Es braucht neue Immo­bi­lien, alte müssen reno­viert oder abge­ris­sen und neu gebaut wer­den. Johan­nes Zieg­ler über­legt sogar, die Arbeit mit den Taub­stum­men ein­zu­stel­len, weil sie finan­zi­ell gese­hen stark defi­zitär ist. Im Jahr 1880 liegt der Ursprung unse­rer heu­ti­gen Behin­der­ten­hilfe. Es wird als erste Ein­rich­tung die­ser Art in Deutsch­land eine Schule für geis­tig behin­derte Taub­stumme. 1906 beginnt die Arbeit mit Sucht­kran­ken in der Has­lachmühle. Nach dem zwei­ten Welt­krieg kom­men Schu­len zur Berufs­aus­bil­dung in dia­ko­ni­schen Beru­fen dazu. Auf dem Höchs­ten wird das »Kur­heim für sucht­kranke Frauen« eröffnet. Die Alten­hilfe ist der jüngste Zweig der Zieg­ler­schen. Sie begann 1999.

Es gibt viele Par­al­le­len zwi­schen der Arbeit von Nethanja in Indien und den Zieg­ler­schen in Deutsch­land. Ich finde es sehr inter­essant, diese zu beleuch­ten, Unter­schiede und Gemein­sam­kei­ten zu ent­de­cken und von­ein­an­der zu ler­nen.

Es gibt viele Parallelen zwischen der Arbeit von Nethanja in Indien und den Zieglerschen in Deutschland.

Ich komme wie­der zurück zu dem Got­tes­dienst, in dem ich war, und auf ein Erleb­nis, das Bischof Singh erzählt hat. Die­ses Erleb­nis liegt schon einige Jahre zurück, als Mut­ter Teresa noch lebte. Die Arbeit von Nethanja war noch klei­ner, aber durch­aus schon beein­dru­ckend und im Wach­sen begrif­fen. Bischof Singh will unbe­dingt ein­mal Mut­ter Teresa ken­nen­ler­nen. Er fragt nach einem Ter­min und bekommt einen. 6.00 Uhr mor­gens. Er steht also um 4.00 Uhr auf, um mit dem Taxi quer durch die ganze Stadt zu Mut­ter Teresa zu fah­ren. Er kommt an und wird ein­ge­la­den, am Mor­gen­ge­bet und an der Abend­mahls­feier teil­zu­neh­men. Er freut sich an der Offen­heit und darüber, dass er als evan­ge­li­scher Christ in der katho­li­schen Gemein­schaft das Abend­mahl mit­fei­ern kann.

Danach gibt es Frühstück und Zeit für ein Gespräch. Bischof Singh stellt sich vor und erzählt vol­ler Begeis­te­rung von sei­ner Arbeit und dem, was sie bei Nethanja alles machen. Er berich­tet von der Arbeit in den Kin­der­hei­men, den Wit­wen, den Kas­ten­lo­sen, den Kran­ken, den Men­schen mit Behin­de­rung, der Hilfe für HIV-Infi­zierte. Mut­ter Teresa hört ihm auf­merk­sam zu, schaut ihn an und legt mit­ten im Gespräch ihre Hand auf seine. Sie sagt: »Wich­tig ist nicht, wie viel du arbei­test, son­dern mit wie viel Liebe du arbei­test.«

 »Wichtig ist nicht, wie viel du arbeitest, sondern mit wie viel Liebe du arbeitest.«

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