Predigt
November 2019
Segen sein
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
1. Mose 12,2 – Fest für alle Generationen
Die Apis – Liederhalle Stuttgart, 01.11.2019
Liebe Brüder und Schwestern!
Mit dem Segen wollen wir uns heute beschäftigen. Ich habe nur noch wenige Erinnerungen an meine Kindergartenzeit. Eine davon hat mit dem Segen zu tun. Die Erzieherin – bei uns eine Schwester Helene – wollte den Kindern das Thema »Segen« nahebringen. Sie fragte: Wer weiß denn, was Segen ist? Schweigen in der Runde. Doch mir kam ein Geistesblitz. Ich meldete mich und sagte: »Mein Onkel, der hat eine große Säge in der Scheune hängen.« – Schweigen. Die Schwester Helene hat mühsam versucht, das Ganze wieder in die Spur zu bringen und den Unterschied zwischen Segen und Säge erklärt. Und irgendwann haben es alle kapiert und ich habe für meinen ersten Erklärungsversuch zum Thema Segen schallendes Gelächter geerntet.
Meine erste Erkenntnis zum Thema »Segen« lautet also: »Segen« und »Sägen« sind zwei unterschiedliche Dinge – auch wenn es im Schwäbischen sehr ähnlich klingt. Erfahrungen gab es natürlich auch: Der Abendsegen am Bett durch die Eltern. Der Segenskreis zum Abschluss der Jungschar. Oder auch Situationen, in denen ich persönlich gesegnet wurde. Sogar mit der Formulierung: »Gott spricht: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!« Zu den Segenserfahrungen in meinem Leben gehören aber auch Menschen, die für mich zum Segen wurden und ein Segen sind.
Ich lade Sie ein, einige biblische Spuren zum Thema »Gesegnet sein und Segen sein« zu entdecken. Auf der Grundlage des Leitwortes für den heutigen Tag aus 1. Mose 12.
Wir hören Gottes Wort:
12,1 Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.
Drei Fragen dazu:
1. Wem gilt der Segen?
2. Wie wirkt der Segen?
3. Wie kann ich Segen sein?
Ich lade Sie ein, einige biblische Spuren zum Thema »Gesegnet sein und Segen sein« zu entdecken.
1. WEM GILT DER SEGEN?
Zunächst muss man ganz nüchtern feststellen: Dieser Segen hier gilt Abram. Oder wie er später dann genannt wird: Abraham. Mit uns hat das zunächst gar nicht so viel zu tun.
Wie kommen wir beim Segen ins Spiel?
Man könnte sagen: Wir sind schon längst im Spiel. Denn bevor Gott Abram als einzelnen Menschen beruft und segnet hat er zuallererst alle Menschen gesegnet. Ganz am Anfang der Bibel wird erzählt, dass Gott den Menschen schafft und segnet: »Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde ... und Gott segnete.«
Wir sind schon längst gesegnet. Als Menschen. Als Teil der guten Schöpfung Gottes. Wir stehen tagtäglich unter dem großzügigen Schöpfungssegen Gottes. Wir haben zu essen, zu trinken, ein Dach über dem Kopf. Wir erleben jeden Tag den Segen, den Gott auf gelingende Beziehungen legt. In Partnerschaft und Ehe, Familie und Freundschaften. Dieser Schöpfungssegen ist schon da. Und er gilt allen. Völlig unabhängig vom Glauben. Er gilt Christen, Muslimen und Buddhisten, Spiritisten und Atheisten – wir alle leben unter diesem Schöpfungssegen Gottes.
Doch gleichzeitig gilt leider, dass wir auch das erleben, was in der Bibel mit dem Sündenfall beschrieben wird. Die Entfremdung von Gott. Die Distanzierung vom Schöpfer. Den Zerbruch der Beziehung, die Gott mit uns leben will.
Die Folgen dieser Entfremdung vom Schöpfer lesen wir jeden Tag in der Zeitung und hören es in den Nachrichten. Wir tun uns schwer, die Balance zu finden zwischen dem Bebauen und Bewahren der guten Schöpfung Gottes. Mehr und mehr spüren wir die Folgen unseres Lebensstils. Anstatt in Frieden zusammenzuleben gibt es Neid und Streit – im Kleinen wie im Großen. Das mündet in Hass, Terror, Krieg.
Gott ist damit nicht zufrieden. Weil er uns Menschen liebt, will er, dass sich etwas ändert. Er spricht uns persönlich an. Er ruft uns in eine Beziehung.
Diese große Beziehungsgeschichte zwischen Gott und einzelnen Menschen beginnt mit Abram. »Und der HERR sprach zu Abram.« Das erste Mal in der Bibel beruft und segnet Gott einen Menschen ganz persönlich. Sein Ziel: Durch diese Beziehung zu Abraham soll die ganze Menschheit gesegnet werden.
Wir tun uns schwer, die Balance zu finden zwischen dem Bebauen und Bewahren der guten Schöpfung Gottes.