Predigt
Februar 2017
Der Weg zum Leben
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Einsetzung als fachlich-theologischer Vorstand
der Zieglerschen am 13.02.2017 in Wilhelmsdorf
Liebe Gemeinde,
es war in der Zeit der Entscheidung. Die Anfrage durch die Zieglerschen an mich war erfolgt. Ich war unterwegs zu einem ersten Gespräch mit dem Aufsichtsrat und hatte noch etwas Zeit. Ich habe die Herrnhuter Losungen aufgeschlagen.
»Du tust mir kund den Weg zum Leben« – stand da. Ich war erstaunt. Ich bin auf dem Weg zu einem ersten Gespräch mit Vertretern der Zieglerschen. Die Zieglerschen, die das Motto gewählt haben: »Erfüllt mit Leben«. Und dann dieser Bibelvers.
Für mich war dieses Bibelwort ein Türöffner. Die Ermutigung, ein offenes Gespräch zu führen und diesen Weg zu prüfen. Ein Fingerzeig Gottes, der mir zu sagen schien: »Nicht nur da, wo du gerade bist, ist Leben. Nicht nur in der Jugendarbeit, im Evangelischen Jugendwerk. Nicht nur an dem Platz, den ich liebend gerne und voller Leidenschaft ausgefüllt habe, sondern auch in der Diakonie, bei den Zieglerschen, könnte ein Platz für dich sein, um den Weg zum Leben zu entdecken, den Gott zeigen will.«
Da mir dieses Bibelwort sozusagen den Weg gewiesen hat, möchte ich es heute etwas intensiver betrachten. Der ganze Bibelvers aus Psalm 16 lautet: »Du tust mir kund den Weg zum Leben / vor dir ist Freude die Fülle / und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.«
Ich möchte drei Aspekte beleuchten.
1. Vertrauen wagen
2. Das Leben lieben
3. Den Weg suchen
Du tust mir kund den Weg zum Leben« – stand da. Ich war erstaunt.
1. Vertrauen wagen
Wie wichtig es ist, dass wir Vertrauen ins Leben haben, das merken wir bei kleinen Kindern. Es ist Nacht. Ein Kind wacht auf. Erschreckt von einem schrecklichen Traum fängt es an zu weinen. Die Mutter, der Vater kommen, nehmen es in den Arm, streichen ihm über Kopf und Gesicht und sagen: »Alles gut. Es ist alles gut.« Dabei wissen sie: Es ist nicht alles gut. In Krankheits- und Krisenphasen. Wenn Schwierigkeiten, Sorgen und Ungewissheit über ihnen zusammenschlagen. Und doch wagen sie diesen Satz, weil sie wissen, wie wichtig das Vertrauen ins Leben ist.
Vertrauen wagen.
Mir tut es gut, wenn ich meine Sorgen und Schwierigkeiten im Gebet vor Gott bringen kann. Hier spüre ich: Dieses Vertrauen ins Leben muss nicht aus mir selbst kommen. Es ist ein Geschenk. Gott will, dass wir leben. In ihm finden wir dieses Vertrauen ins Leben. Er zeigt uns den Weg zum Leben.
Vertrauen ins Leben zu haben – das wünsche ich uns allen. Und vor allem wünsche ich das den Menschen in den Zieglerschen:
- Dem Schüler mit einer Hör-Sprach-Behinderung, der in der Regelklasse nicht mehr mitkam und mit einer individuellen Förderung neues Zutrauen in sich selbst entdeckt;
- der Jugendlichen, die alles andere als eine behütete Kindheit hatte und mit pädagogischer Unterstützung herausfindet aus ihrem Frust und ihre Begabungen entdeckt;
- dem alkoholkranken Mann, der seine Arbeitsstelle verloren hat, aber fest entschlossen ist, seine Sucht zu überwinden.
- dem Menschen mit Behinderung, der in der Haslachmühle ein geschütztes Umfeld gefunden hat, sich frei bewegen kann, ohne sich selbst und andere zu gefährden.
- Der älteren Dame, die alles vergisst und durcheinanderbringt, zu Hause bei fortschreitender Demenz nicht mehr versorgt werden kann und ein neues Zuhause in einem Pflegeheim findet.
Vertrauen ins Leben zu haben – das wünsche ich uns allen.