Langsam wächst Vertrauen. Die Angst vor anderen und das Misstrauen verschwindet. | Foto: iStock/LSOphoto
Predigt
Mai 2021
Vertrauen nicht wegwerfen
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Gottesdienst am 16.05.2021, Wilhelmsdorf
Liebe Gemeinde,
auf meinem Schreibtisch steht dieser Schriftzug: »Vertrauen«. Das Wort »Vertrauen« erinnert mich an zentrale biblische Aussagen und auch daran, was wir bei den Zieglerschen und darüber hinaus so sehr brauchen. Ich erlebe die Corona-Pandemie als Vertrauenskrise. Man könnte auch sagen: »Als Misstrauens-Pandemie«. Das Misstrauen hat sich ebenso rasant ausgebreitet, wie das Corona-Virus.
- Es macht mich nachdenklich, wenn das Misstrauen als Grundprinzip an alles und jeden herangetragen wird. Ich höre und lese Sprüche wie: »Heutzutage kann man doch niemandem trauen.» – »Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.« Meinungsumfragen berichten vom wachsenden Misstrauen gegen die Wissenschaft. Gegen Institutionen. Gegen »die da oben«.
- Es erschüttert mich, wenn Politiker wie Karl Lauterbach oder Wissenschaftler wie Christian Drosten Hass-Emails mit Morddrohungen erhalten. Nur, weil sie sich klar und deutlich äußern. Man kann ja durchaus anderer Meinung sein und das auch sagen, doch deshalb muss man niemand beschimpfen oder bedrohen.
- Es macht mich traurig, wenn ich höre, dass eine Wort-zum-Sonntag-Sprecherin wüsten Rückmeldungen von Christen ausgesetzt war. Sie haben sich an dem Satz gestört: »Impfen kann auch eine Form von Nächstenliebe sein«. Man kann ja durchaus die Rückmeldung geben, warum man das anders sieht, auch fragen, wie sie das biblisch herleitet. Doch warum müssen wir uns auch noch als Christen untereinander auf solch wüste Art beschimpfen?
In dieser »Misstrauens-Pandemie« habe ich ein Interview des Soziologen Hartmut Rosa gelesen. Er stellt einen Zusammenhang her zwischen dem COVID-19-Virus, das sich über die Atemwege ausbreitet und dem gestörten Vertrauen. Er beschreibt das Atmen als Grundbeziehung zur Welt. Diese Grundbeziehung ist durch das Virus gestört. Ich kann dem Atmen nicht mehr trauen. Ich muss mir immer überlegen, ob ich da, wo ich mich gerade befinde, unbesorgt ein- und ausatmen kann. Wenn ich also bei jedem Atemzug misstrauisch sein muss, macht das etwas mit mir. Ich kann mir selbst nicht mehr trauen – vielleicht habe ich das Virus schon eingeatmet. Ich kann den anderen nicht mehr trauen – vielleicht stecken sie mich an. Ich kann also nichts und niemandem mehr trauen, bin also grundsätzlich misstrauisch.
Ich kann also nichts und niemandem mehr trauen, bin also grundsätzlich misstrauisch.
Was können wir als Christen gegen dieses Misstrauen tun? Es steckt doch genauso tief in uns wie in anderen. Ich lade ein, dass wir auf einen Text aus dem Hebräerbrief hören. Dort – in Kapitel 10 Vers 35 und 36 steht: »Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.«
Diese Zeilen stammen aus einem Schreiben an eine Gemeinde, die eine Krise erlebte.
- Manche waren misstrauisch im Blick auf den eigenen Glauben und fanden anderes viel interessanter (Hebräer 13,9).
- Andere waren misstrauisch gegenüber einer Weiterentwicklung ihres Kinderglaubens (Hebräer 5,11-14). Doch dieser Kinderglaube zerbrach an den Herausforderungen des Lebens.
- Alle miteinander waren sie misstrauisch, ob der Glaube an Jesus Christus und die Gemeinde überhaupt noch eine Zukunft hat. Die Gottesdienstbesucher wurden immer weniger (Hebräer 10,25).
Kommt Ihnen das bekannt vor? Mir auch. Manchmal fühle ich mich mit meinem Glauben fremd in dieser Welt. Wenn das hinterfragt oder belächelt wird, was mir wichtig ist. Manchmal fühle ich mich mutlos. Und ich frage mich, wie es mit uns und unserer Kirche nach der Corona-Pandemie weitergehen wird. Und manchmal bin ich erschreckt und traurig. Und frage mich, wie wir das Misstrauen überwinden können.
»Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.«
Ich lade auf der Grundlage dieses Verses zu einer kleinen Entdeckungsreise ein. Mit Jesus und seinen Jüngern. Was könnte das heißen, das Vertrauen nicht wegwerfen?
Manchmal fühle ich mich mit meinem Glauben fremd in dieser Welt. Wenn das hinterfragt oder belächelt wird, was mir wichtig ist.