Predigt
Januar 2020
Ich will an dich glauben
Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann
Predigt zur Jahreslosung am 01.01.2020
Neujahrsgottesdienst, Bonlanden
Liebe Gemeinde,
»Ich glaube, hilf meinem Unglauben«, so lautet die Jahreslosung für 2020. Meine erste Reaktion war: Das klingt jetzt nicht besonders ermutigend. Irgendwie sogar widersprüchlich. Zerrissen, hin und her schwankend. Inkonsequent. Dabei brauchen wir doch in den ersten Stunden des neuen Jahres vor allem dieses: Konsequenz und Eindeutigkeit. Wie sonst soll sich denn etwas ändern? Wenn nicht durch Konsequenz und Eindeutigkeit?
Die Jahreslosung 2020 macht uns ein Angebot. Sie lädt uns ein, den eigenen Glauben zu betrachten. Das Hin- und Herschwanken zwischen Glauben und Unglauben, die Zerrissenheit zwischen Vertrauen und Skepsis, die eigenen guten und schlechten Erfahrungen. Der zweite Teil der Einladung besteht darin, dass die Jahreslosung uns mitnimmt auf den Weg zu Jesus. An ihn ist diese Bitte gerichtet: »Ich glaube, hilf meinem Unglauben.«
Wir hören zunächst auf den Bibeltext aus Markus 9, 14-29.
Markus 9,14-29
Ich lade Sie ein, dass wir uns noch ein wenig intensiver in diese Geschichte hineinbegeben und dabei Entdeckungen zum Glauben zu machen. Zwei Schritte wollen wir gehen:
1. Zweifel und Unglauben zulassen
2. Auf Jesus hören und mit ihm reden
1. ZWEIFEL UND UNGLAUBEN ZULASSEN
Wieder und wieder passiert es. Der Junge fällt zu Boden. Als ob er von einer fremden Macht geschüttelt wird. Er verkrampft sich, an den bläulichen Lippen bildet sich Schaum, und schließlich liegt er so starr da, als sei er tot. Hilflos steht der Vater daneben. Es ist schlimm, das eigene Kind leiden zu sehen. Wo andere unbefangen herumtollen, muss sein Sohn immer vorsichtig sein. Ständig muss jemand in seiner Nähe sein, um ihn zu schützen, damit er sich nicht selbst in Lebensgefahr bringt. Was haben die Eltern wohl schon alles versucht? Von einem Arzt sind sie zum nächsten gelaufen. Gespannt und erwartungsvoll zu jedem gegangen, von dem es hieß, er könne heilen, Wunder bewirken, der unheimlichen Macht Einhalt gebieten. Jedes Mal sind sie enttäuscht wieder nach Hause zurückgekehrt. Denn nichts und niemand konnte dem Jungen helfen.
Doch die Eltern geben nicht auf. Sie hören von Jesus und suchen ihn. Als sie ihn endlich gefunden haben, ist er nicht zu sprechen. Der Vater versucht es bei den Jüngern. Die können ihm nicht helfen. Dann kommt endlich Jesus selbst. Der Vater erzählt ihm von seinem Kind. Und gleich scheint die fremde Macht zeigen zu wollen, was in ihr steckt. Sie reißt das Kind zu Boden und schüttelt es durch. Der Vater erzählt von all den Jahren, in denen er hilflos danebengestanden ist, von Feuer und Wasser, in die das Kind schon gefallen ist, von der Angst, dass die Krankheit es schließlich umbringen wird.
»Wenn du etwas kannst«, fleht er Jesus an, »so erbarme dich unser und hilf uns.«
Ich vermute, dass uns das, was der Vater mit seinem Sohn erlebt hat, nicht fremd ist. Solche und ähnliche Erfahrungen haben wir auch schon gemacht. In unterschiedlicher Stärke und Ausprägung. Und mit diesen Erfahrungen verbunden sind Fragen und Zweifel.
- Gott bewahrt und beschützt – warum werden dann Menschen, die fest an ihn glauben, schwer krank?
- Gott erhört Gebet – warum erhört er dann unsere Gebete um Heilung nicht? Warum wird der eine von seiner schweren Krankheit geheilt und der andere nicht?
- Gott ist gerecht und gut – warum ist diese Welt dann so ungerecht? Warum sind die einen Kinder gesund und begabt, die anderen mehrfach behindert? Wir stöhnen nach den Feiertagen über das viele und gute Essen und in anderen Teilen der Welt wissen Eltern nicht, wie sie ihre Kinder satt bekommen sollen. Warum diese Ungleichheit?
Gott bewahrt und beschützt – warum werden dann Menschen, die fest an ihn glauben, schwer krank?
Ich denke an eine junge Frau, die ich vor vielen Jahren kennengelernt habe. Sie ist Jugendreferentin und hat gemeinsam mit ihrem Mann beim CVJM gearbeitet. Sie haben Kinder bekommen und als Familie gelebt. Ich hatte sie dann lange nicht gesehen, aber von anderen gehört, dass sie schwer erkrankt ist. Mit 39 Jahren. Immer wieder gab es Rückschläge. Als ich sie nach langer Zeit wieder getroffen habe, hat sie von ihrer schweren Krankheitszeit erzählt und auch davon, dass sie hofft, dass nun das Schlimmste überstanden ist. Völlig unerwartet hat mich dann die Nachricht getroffen, dass ihr Mann gestorben ist.
In einem Buch zur Jahreslosung habe ich einen Beitrag von ihr gefunden. Ich zitiere daraus: »Ungläubig stand ich an seinem Totenbett und kann es bis heute, 15 Monate später, noch immer nicht begreifen. Was hat sich Gott bloß dabei gedacht? War und ist meine Krankheit nicht schon schlimm genug? Warum hat er den Tod meines Mannes nicht verhindert? Ich bin sauer auf Gott, dass er nicht aufgepasst hat und meinen Mann sterben ließ … Es fällt mir wieder richtig schwer, Gott noch zu vertrauen. Wie kann ich glauben, dass er mich unendlich liebt, wenn er mir und meinen Kindern so etwas zumutet?«1
»Es fällt mir wieder richtig schwer, Gott noch zu vertrauen. Wie kann ich glauben, dass er mich unendlich liebt, wenn er mir so etwas zumutet?«