»Meine Welt ist nicht in Ord­nung – doch hier ist Platz für mich.« | Foto: kali9

Andacht

Oktober 2021

Dass die Liebe siegt

Autor: Pfarrer Gottfried Heinzmann

Andacht Führungskräfteklausur
Videokonferenz am 27.10.2021

»Meine Welt ist nicht in Ord­nung« – so beginnt das Lied der Band »Stil­bruch«. Die Musi­ker haben es gemein­sam mit der Band »Mix« geschrie­ben und auf­geführt. Als inte­gra­ti­ves Pro­jekt. Men­schen mit und ohne Behin­de­rung haben mit­ge­wirkt. »Meine Welt ist nicht in Ord­nung« – das trifft. Viele unse­rer Schülerin­nen und Schüler können sich in dem Satz wie­der­fin­den. Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­sene, die ambu­lant oder sta­tionär betreut wer­den. Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in der Sucht­hilfe, aber auch Senio­rin­nen und Senio­ren in unse­ren Ein­rich­tun­gen. »Meine Welt ist nicht in Ord­nung« – bei mir ist die Fort­set­zung hängen geblie­ben: »... kei­ner schaut mich wirk­lich an.«

Man könnte noch andere Fort­set­zun­gen fin­den: »Kei­ner hört mir wirk­lich zu« oder »Kei­ner fragt, wie es mir geht«. Jemand anschauen und nach­fra­gen, wie es geht, kann man auf ganz unter­schied­li­che Weise. In dem klei­nen Buch, das wir Ihnen zuge­schickt haben, gibt es eine Geschichte dazu. Sie steht auf Seite 15. Wenn Sie das Buch zur Hand haben, können Sie es auf­schla­gen und mit­le­sen. Ansons­ten kann man gerne ein­fach zuhören.

»Ite­ma­go­tenke« Seite 15 vor­le­sen1


Ich finde diese Beo­b­ach­tun­gen aus einer frem­den Kul­tur sehr inter­essant. Sie können hel­fen, die eigene Kul­tur bes­ser wahr­zu­neh­men. Bei uns ist die Kul­tur anders. Da redet nie­mand von Kühen, die lächeln – doch im Grunde ist es ganz ähnlich.

Wir fra­gen: »Wie geht’s?« Doch je nach­dem, mit wem wir es zu tun haben, zie­hen wir eine schöne Fassade hoch. Wir lächeln und sagen: »Alles okay! Mir geht’s gut!« Es gibt dann genügend Möglich­kei­ten, die Frage abzu­blo­cken. Ver­mut­lich nicht mit soviel Elan und Über­zeu­gung wie bei den Mas­sai, aber nicht weni­ger effek­tiv.

Doch letzt­lich geht es doch um etwas ande­res: Dass wir nicht vor­dergründig vor­spie­len, wie toll und super alles ist, son­dern unsere Sor­gen und Nöte mit­ein­an­der tei­len. Dass wir ein­an­der sagen können »Meine Welt ist nicht in Ord­nung.«

Damit das möglich ist, brau­chen auch wir einen Grund­kon­sens. Den Grund­kon­sens, dass ich dem ande­ren ver­trauen kann. Den Grund­kon­sens, dass der andere es gut mit mir meint. Den Grund­kon­sens, dass der andere in meine Welt, die nicht in Ord­nung ist, ein­taucht und mir zur Seite steht.

Wir fragen: »Wie geht’s?« Doch je nachdem, mit wem wir es zu tun haben, ziehen wir eine schöne Fassade hoch.

Im Neuen Testa­ment finde ich viele Erzählun­gen von Men­schen, deren Welt nicht in Ord­nung war. Men­schen, die nicht mehr vor­spie­len konn­ten, dass alles in Ord­nung war. Men­schen, bei denen Bezie­hun­gen zer­bro­chen waren. Men­schen, die schwer krank waren. Men­schen, die von den ande­ren gemobbt und aus der Gemein­schaft aus­ge­schlos­sen wur­den.

Doch das ist nicht alles. Im Neuen Testa­ment wird erzählt, wie Jesus Men­schen begeg­net ist. Ohne Vor­be­halte. Offen und herz­lich. Dass jemand etwas anders ist, hat ihn nicht abge­stoßen, son­dern ange­zo­gen.

  • An dem blin­den Bett­ler geht er nicht vor­bei, son­dern bleibt ste­hen. »Was willst du, dass ich für dich tun soll?«, ist seine Frage.
  • Die verkrümmte Frau, die am Sab­bat zu ihm kommt, schickt er nicht weg, son­dern rich­tet sie auf.
  • Die Mut­ter, die ver­zwei­felt nach Hilfe für ihre kranke Toch­ter sucht, und sich nicht so ein­fach abspei­sen lässt, nimmt er ernst und hilft ihr.

Alle, denen Jesus begeg­net ist, haben gemerkt:

  • Ich bin gese­hen und geach­tet.
  • Ich bin bedin­gungs­los ange­nom­men und geliebt.
  • Hier ist Platz für mich!  

Im Neuen Testament wird erzählt, wie Jesus Menschen begegnet ist. Ohne Vorbehalte. Dass jemand etwas anders ist, hat ihn nicht abgestoßen.

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