Angedachtes_von

Pfarrer Heiko Bräuning

»Die Christen«, so beginnt Heiko Bräuning seine Gedanken über Ostern, »leben wie Gänse auf einem Hof«. Heiko Bräuning ist Leiter des Referats Theologie und Seelsorge in den Zieglerschen ...

Angedachtes

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Pfarrer Heiko Bräuning

»Die Christen«, so beginnt Heiko Bräuning seine Gedanken über Ostern, »leben wie Gänse auf einem Hof«. Heiko Bräuning ist Leiter des Referats Theologie und Seelsorge in den Zieglerschen ...

Angedachtes

März 2015

Wenn dem Glauben Flügel wachsen

Text: Pfarrer Heiko Bräuning

Sören Kier­ke­gaard, dänischer Reli­gi­ons­phi­lo­soph, hat mit spit­zer Feder eine kleine Geschichte geschrie­ben. »Die Chris­ten«, so erzählt Kier­ke­gaard, »leben wie Gänse auf einem Hof. An jedem sieb­ten Tag wird eine Parade abge­hal­ten, und der bered­samste Gänse­rich steht auf einem Zaun und schnat­tert über das Wun­der der Gänse. Er erzählt von den Taten der Vor­fah­ren, die einst zu flie­gen wag­ten, und lobt die Gnade und Barm­her­zig­keit des Schöpfers, der den Gänsen Flügel und den Instinkt zum Flie­gen gab. Die Gänse sind tief gerührt, sen­ken in Ergrif­fen­heit die Köpfe und loben die Pre­digt und den rede­ge­wand­ten Gänse­rich. Aber das ist alles. Eines tun sie nicht: sie flie­gen nicht. Sie gehen zu ihrem Mit­tags­mahl. Sie flie­gen nicht, denn das Korn ist gut, und der Hof ist sicher.«

Ostern ist das Fest der Chris­ten, an dem unse­rem Glau­ben Flügel wach­sen. Flügel zum Bei­spiel für unsere Per­spek­ti­ven: Neu ist, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Flügel – für unsere Hoff­nung, die schon so viele kleine Tode gestor­ben ist und schlei­chend gänzlich stirbt. Dass Ostern, die Ver­wand­lung von Totem in Leben­des, uns heute betrifft, bringt Pau­lus so auf den Punkt: »Wir wer­den aber alle ver­wan­delt wer­den.« (1. Korin­ther 15,51)

Wie so ein Ver­wand­lungs­pro­zess vor sich gehen kann, beschreibt der alter­na­tive Nobel­preisträger Nico­las Per­nas an einem wun­der­ba­ren Bei­spiel: Wenn sich eine Raupe in einen Schmet­ter­ling ver­puppt, tau­chen in sei­nem Körper soge­nannte Imago-Zel­len auf, Schmet­ter­lings­zel­len, die im alten Rau­pen-Körper bereits die Zukunft vor­aus­neh­men. Die erste Gene­ra­tion die­ser Zel­len wird vom Immun­sys­tem der Raupe als Fremdkörper ange­grif­fen und ver­nich­tet. Die zweite Gene­ra­tion wird eben­falls scharf atta­ckiert, doch sie hat bereits gelernt, die Immun­zel­len der schwächeln­den Raupe so zu infi­zie­ren, dass sie sel­ber Imago-Zel­len her­vor­brin­gen. Irgend­wann schließen sich die iso­lier­ten Imago-Zel­len zu Clus­tern zusam­men, die sich wie­derum über Zell­straßen ver­net­zen. Dann kommt der Moment, in dem diese vie­len Zukunfts­zel­len und Zukunft­s­clus­ter kapie­ren: Wir sind gar keine Raupe mehr, wir sind schon längst etwas ande­res! Von dem Augen­blick an geht es rasend schnell!

Ostern – der Herr ist auf­er­stan­den, er ist wahr­haf­tig auf­er­stan­den. Und es gilt: Die auf den auf­er­stan­de­nen Herrn ver­trauen, krie­gen neue Kraft, dass sie auf­fah­ren mit Flügeln! (nach Jesaja 40, 31). In die­sem Sinne wünsche ich Ihnen: guten Flug!