»Fachkräfte dürfen keine Pflegeroboter werden«

Sven Lange

Interview

»Fachkräfte dürfen keine Pflegeroboter werden«

Sven Lange

Interview

März 2015

Interview mit Sven Lange, seit 1. Januar 2015 neuer Geschäftsführer in der Altenhilfe der Zieglerschen, zur Bewertung des neuen Pflegestärkungsgesetzes und seinen weiteren Erwartungen an die Politik.

Text: Nicola Philipp

Herr Lange, Sie sind seit 1. Januar 2015 Geschäftsführer in der Alten­hilfe der Zieg­ler­schen ...
Ja, eine wirk­lich span­nende Her­aus­for­de­rung, auf die ich mich sehr freue. Hier gibt es in den kom­men­den Jah­ren eini­ges zu ent­wi­ckeln.

Zeit­gleich ist ein neues Gesetz in Kraft getre­ten – das erste »Pfle­gestärkungs­ge­setz«. Wird es sei­nem Namen gerecht?
Es ist ein zumin­dest Schritt in die rich­tige Rich­tung. Pfle­ge­bedürftige und ihre Angehörigen können sich freuen, denn sie bekom­men mehr Geld. Es gibt vier Pro­zent mehr – für Pfle­ge­geld, ambu­lante, sta­tionäre oder Kurz­zeit­pflege. Unse­ren Ein­rich­tun­gen, zumin­dest in der klas­si­schen sta­tionären Pflege, kommt das aller­dings nicht zugute.

Das müssen Sie erklären.
Neh­men wir an, Ihre Mut­ter ist pfle­ge­bedürftig, Stufe III, und lebt im Senio­ren­heim. Pro Monat zah­len Sie für den Platz 3.000 Euro. Davon hat die Kasse bis­her 1.550 Euro über­nom­men und Sie den Rest. Seit Januar zahlt die Kasse vier Pro­zent mehr, also 1.612 Euro. Bleibt für Sie ein Rest von 1.388 Euro. Das ent­las­tet Ihr Bud­get um 62 Euro im Monat – das Senio­ren­heim aber erhält wei­ter nur 3.000 Euro.

Die Ein­rich­tun­gen haben also gar nichts von dem Gesetz?
Doch, in vie­len Berei­chen schon. Zum Bei­spiel zah­len die Kas­sen für Kurz­zeit-, Tages- oder Ver­hin­de­rungs­pflege einen höheren Anteil. Das kann durch­aus zu einer stärke­ren Nach­frage führen. In der sta­tionären Pflege aber müssen wir wei­ter ver­han­deln. Hier muss jetzt eine Anpas­sung der Rah­men­ver­ein­ba­run­gen auf Lan­des­ebene fol­gen. Da geht es um Kos­tensätze, aber auch um ange­mes­sene Per­so­nal­schlüssel.

Stich­wort Per­so­nal. Das Pfle­gestärkungs­ge­setz enthält auch Neu­re­ge­lun­gen zu den Betreu­ungskräften. Sind sie hilf­reich?
Auf jeden Fall. In unse­ren Pfle­ge­hei­men gibt es immer mehr Men­schen mit Demenz oder zusätzli­chen psy­chi­schen Erkran­kun­gen. Ihre Betreu­ung kos­tet mehr Zeit, als uns zur Verfügung steht. Durch die Betreu­ungskräfte, die sich aktiv mit den Bewoh­nern beschäfti­gen, haben wir größeren Spiel­raum. Laut Gesetz dürfen wir jetzt mehr Betreu­ungskräfte ein­stel­len, die Zahl soll von 20.000 auf 45.000 stei­gen.

Das klingt nach großer Ent­las­tung ...
Ja, aller­dings müssen wir auf­pas­sen, dass unsere Pflege-Fachkräfte nicht zum »Pfle­ge­ro­bo­ter « wer­den, während die Betreu­ungskräfte »das Emo­tio­nale« über­neh­men. Und wir dürfen nicht ver­ges­sen, dass in der Pflege Per­so­nal­man­gel herrscht. 25.000 neue Mit­ar­bei­tende – eine echte Her­aus­for­de­rung ...

Für 2017 ist bereits die 2. Stufe des Geset­zes angekündigt, mit einem neuen Pfle­ge­bedürftig­keits­be­griff. Was erwar­ten Sie davon?
In die­ser zwei­ten Stufe ist rich­tig Musik! Zum Bei­spiel sol­len aus den bis­her drei Pfle­ge­stu­fen künftig fünf Pfle­ge­grade wer­den. Das ist gut gedacht und soll die Indi­vi­dua­lität pfle­ge­bedürfti­ger Men­schen stärken. Ich hoffe nur, es wird auch gut gemacht – und führt nicht nur zu mehr Bürokra­tie.

Apro­pos Entbürokra­ti­sie­rung. Ein großes Thema.
Hier muss end­lich etwas gesche­hen! Es darf nicht mehr pas­sie­ren, dass ein Großteil der zur Verfügung ste­hen­den Fach­kraft­zeit für die Doku­men­ta­tion und die Recht­fer­ti­gung vor den Heim­auf­sich­ten drauf­geht. Denn am meis­ten lei­det doch dar­un­ter der pfle­ge­bedürftige Mensch.

Vie­len Dank für das auf­schluss­rei­che Gespräch!