Angedachtes_von

Pfarrer Heiko Bräuning

»Solange noch die Liebe unter uns ist, die ihr letztes Stück Brot teilt, habe ich keine Furcht um uns alle …« – Gedanken von Pfarrer Heiko Bräuning, Leiter des Referats Theologie und Seelsorge in den Zieglerschen.

Angedachtes

Angedachtes_von

Pfarrer Heiko Bräuning

»Solange noch die Liebe unter uns ist, die ihr letztes Stück Brot teilt, habe ich keine Furcht um uns alle …« – Gedanken von Pfarrer Heiko Bräuning, Leiter des Referats Theologie und Seelsorge in den Zieglerschen.

Angedachtes

Juni 2013

Die Liebe Gottes und ein Klumpen Brot

Text: Pfarrer Heiko Bräuning

Als der Geheime Medi­zi­nal­rat Brei­ten­bach gestor­ben war, began­nen seine Söhne, den Nach­lass zu ord­nen. In einer gläser­nen Vitrine, die der alte Arzt wie ein Hei­lig­tum gehütet hatte, fan­den sie neben ande­ren Kost­bar­kei­ten und Erin­ne­rungsstücken ein merkwürdi­ges Gebilde: einen grauen, ver­schrum­pel­ten und kno­chen­har­ten Klum­pen – ein ver­trock­ne­tes Stück Brot.

Rat­los befrag­ten sie die alte Haushälte­rin. Die erzählte: In den Hun­ger­jah­ren nach dem Welt­krieg hatte der Arzt ein­mal schwer krank dar­nie­der­ge­le­gen. Zu der aku­ten Erkran­kung war ein all­ge­mei­ner Erschöpfungs­zu­stand gekom­men. Kräftige Kost war nötig – aber rar. Da schickte ein Bekann­ter ein hal­bes Brot. Gutes, voll­wer­ti­ges Schrot­brot, das er selbst von einem befreun­de­ten Ausländer erhal­ten hatte.

Zu der Zeit war gerade im Nach­bar­haus die kleine Toch­ter des Leh­rers krank. Der Medi­zi­nal­rat schickte darum das Brot, ohne selbst davon zu essen, den Leh­rers­leu­ten hinüber. Aber auch diese woll­ten das Brot nicht behal­ten. Die alte Witwe drüben unter dem Dach im Not­quar­tier brauchte es bestimmt not­wen­di­ger. Die gab es an ihre Toch­ter mit den bei­den Kin­dern in der kümmer­li­chen Kel­ler­woh­nung wei­ter. Die erin­nerte sich an den kran­ken Medi­zi­nal­rat, der kürzlich einen ihrer Buben behan­delt hatte, ohne etwas dafür zu ver­lan­gen.

»Wir haben es sogleich wie­der­er­kannt«, schloss die Haushälte­rin, »an der Marke, die auf dem Boden des Bro­tes klebte und ein bun­tes Bild­chen zeigte.« Als der Medi­zi­nal­rat sein eige­nes Brot wie­der in den Händen hielt, da war er maßlos erschüttert und hat gesagt: »Solange noch die Liebe unter uns ist, die ihr letz­tes Stück Brot teilt, solange habe ich keine Furcht um uns alle &hel­lip; Die­ses Brot hat viele Men­schen satt­ge­macht, ohne dass ein Ein­zi­ger davon geges­sen hätte.«

Diese Geschichte macht greif­bar, wel­che Kraft die Liebe hat: »Die Liebe Got­tes ist aus­ge­gos­sen in unsre Her­zen durch den hei­li­gen Geist, der uns gege­ben ist.« (Römer 5,5) Und diese Liebe ist spürbar in unse­ren vier Wänden: es weht die­ser gute, lie­be­volle Geist. Nein, unsere Häuser sind nicht grauer Beton, es ist viel­mehr Wohn­raum für den guten Geist Got­tes. Aber der Geist sprengt auch man­chen Raum und Rah­men. Denn diese Liebe wird erleb­bar durch unsere Her­zen­sein­stel­lung über alle Gren­zen hin­weg: Wir behal­ten, was wir haben, nicht nur für uns, son­dern geben ande­ren Anteil daran – damit was bleibt!

Und so geschieht ein­mal mehr, und mit­ten unter uns, im Hier und Heute ein Wun­der: eine Spei­sung der Tau­sende – drei­tau­send Mit­ar­bei­tende und über sechs­tau­send uns anver­traute Men­schen – sie wer­den satt.

Die­ses Wun­der wünsche ich uns allen immer wie­der.