»Es ist toll, dass ich nicht immer nur Einzelkämpfer bin«

Porträt

»Es ist toll, dass ich nicht immer nur Einzelkämpfer bin«

Alexandra Hoffmann

Porträt

Oktober 2013

Sie haben morgens recht und nachmittags frei – so zumindest das gängige Vorurteil gegenüber Lehrern aller Art. Bei Alexandra Hoffmann (35), Leiterin der Sprach­heil­schule Sig­maringen, stimmt das alles nicht so ganz. Wir haben die engagierte Lehrerin und Schulleiterin einen Schultag lang begleitet. Das Porträt.

Text: Eva Huchler

07:20 Uhr: Licht an in der Sprach­heil­schule Sig­ma­rin­gen. Eigent­lich ist Alex­an­dra Hoff­mann keine Frühauf­ste­he­rin, doch es gilt, das noch ruhige Schul­haus zu nut­zen: PC hoch­fah­ren, den Anruf­be­ant­wor­ter abhören. Muss noch etwas spon­tan für den Tag orga­ni­siert wer­den? Hat sich jemand krank gemel­det?

07:30 Uhr: Nun kom­men die 50 Schüler und Kin­der­gar­ten­kin­der der Sprach­heil­schule. Die Schul­lei­te­rin geht zum Ein­gang. Sie begrüßt die Klei­nen, hilft beim Umzie­hen und passt auf, dass jedes Kind sein Klas­sen­zim­mer fin­det. Am Anfang des Schul­jah­res ist das beson­ders wich­tig, wenn die neuen Kin­der­gar­ten­kin­der und Erstklässler noch nicht genau wis­sen, wie alles so funk­tio­niert in der Lass­berg­schule.

07:55 Uhr: Der Schul­gong ertönt, jetzt beginnt die erste Stunde. Alex­an­dra Hoff­mann stimmt sich mit ihrer Kol­le­gin aus dem Schul­se­kre­ta­riat ab. Dort war­tet auch schon die Post. Die nächste Kol­le­gin steht auf dem Flur. Sie gibt einen Fort­bil­dungs­an­trag ab und möchte sich mit der Schul­lei­te­rin über die The­ra­pie­pla­nung für ein Kind aus­tau­schen. Wo hat Patrick Fort­schritte gemacht und wo braucht er noch mehr Unterstützung? Eig­net sich für ihn Ein­zelförde­rung oder die Arbeit in einer Klein­gruppe bes­ser? Drin­nen klin­gelt das Tele­fon. Für ein neues Schul­kind fehlt der Förder­be­scheid vom Schul­amt. Die Dame am Tele­fon ver­si­chert, dass der Bescheid kommt – spätes­tens nächste Woche.

09:30 Uhr: Ein Pro­to­koll will geschrie­ben wer­den, bevor die Haus­be­spre­chung mit dem Lei­tungs­team des »KBZO« vor­be­rei­tet wird. Denn die Lass­berg­schule beher­bergt zwei Schu­len mit Schul­kin­dergärten unter einem Dach: die Sprach­heil­schule der Zieg­ler­schen und eine Körper­be­hin­der­ten­schule der »Stif­tung Körper­be­hin­der­ten­zen­trum Ober­schwa­ben«, kurz KBZO. »Das hat Vor- und Nach­teile. Natürlich kann ich vie­les nicht völlig frei ent­schei­den, son­dern muss mich hausin­tern abstim­men. Das beginnt bei ganz prak­ti­schen Din­gen, wie bei der Bele­gung des gemein­sa­men Rhyth­mi­kraums«, erklärt Alex­an­dra Hoff­mann. »Gleich­zei­tig genieße ich es aber auch, nicht die ein­zige Schul­lei­tung im Haus zu sein. Es ist toll, dass ich nicht immer nur Ein­zelkämpfer bin, son­dern mich aus­tau­schen kann.«

Ein­zelkämpfer? Das soll an der Sprach­heil­schule Sig­ma­rin­gen ohne­hin nie­mand sein. Fast immer tei­len sich zwei Lehrkräfte eine Klasse. Das bedeu­tet erhöhten Abstim­mungs­be­darf, aber auch Ent­las­tung des Ein­zel­nen. Denn so frei Leh­rer oft in ihrer Arbeitsein­tei­lung sind, so birgt genau dies auch Gefah­ren: Neben den Vor­be­rei­tungs­zei­ten sind auch die Anfor­de­run­gen an die Lehrkräfte von Eltern, Kin­dern und Schul­lei­tung hoch. Und da es kein defi­nier­tes Arbeitsende gibt, muss jeder selbst das gesunde Mit­telmaß zwi­schen eige­nem Anspruch und der mach­ba­ren Wirk­lich­keit fin­den. »Dabei unterstützen wir uns gegen­sei­tig«, berich­tet die Schul­lei­te­rin. »Ich schätze die offene Gesprächs­kul­tur, die Fle­xi­bi­lität und Kom­pro­miss­be­reit­schaft mei­nes Kol­le­gi­ums sehr. So habe ich auch nicht das Gefühl, das Schul­ge­sche­hen alleine tra­gen zu müssen, son­dern das machen wir gemein­sam.«

10:30 Uhr: Es klopft an der Bürotür und her­ein kommt eine will­kom­mene Abwechs­lung! Lara erin­nert ihre Rek­to­rin daran, dass sie heute acht Jahre alt wird und freut sich über die Glückwünsche. Zum Dank gibt's ein Stück Kuchen, den Laras Mut­ter extra geba­cken hat. Jetzt aber schnell: Gleich beginnt die Frühförde­rung. Denn nur ein Teil der Arbeits­zeit der 35-Jähri­gen ist für Orga­ni­sa­to­ri­sches reser­viert, im ande­ren Teil unter­rich­tet sie, über­nimmt Frühförde­rungs- und Bera­tungs­stun­den und arbei­tet in ambu­lan­ten Sprach­heil­kur­sen an Regel­schu­len. »Es macht mir sehr viel Freude, die Kin­der beglei­ten zu dürfen, die Neu­gier in ihren Augen zu sehen und manch unbe­darf­tes – und ehr­li­ches – Wort zu hören«, fin­det sie. »Im Tun merke ich, wie gern ich Leh­re­rin und Schul­lei­te­rin bin.«

12:00 Uhr: Der Schul­gong ertönt wie­der: Jetzt ist für die Schüler Bewe­gungs­pause und Toben auf dem Schul­gelände ange­sagt, danach gibt es Mit­ta­ges­sen: Guten Appe­tit!

13:00 Uhr: Klei­ner Not­fall: Ein Kind steht mit auf­geschürftem Kinn in der Tür, es ist in der Pause gestürzt. Halb so schlimm. Wenn’s sein muss, ist die Schul­lei­te­rin auch Sanitäterin. Schnell wird die Wunde des­in­fi­ziert und mit einem Pflas­ter ver­se­hen. Und dann klin­gelt schon wie­der das Tele­fon: Die Mut­ter einer Schülerin kann das Zeug­nis­heft nicht mehr fin­den! Das heißt Arbeit für Alex­an­dra Hoff­mann, denn es müssen Ersatz­be­schei­ni­gun­gen aus­ge­stellt wer­den.

15:10 Uhr: Noch ein­mal der Schul­gong: Schule aus! Zumin­dest für die Kin­der. Die Schul­lei­te­rin beugt sich noch über die Schul­sta­tis­tik. Ein tro­ckenes Stück Arbeit!

17:30 Uhr: Das Licht in Alex­an­dra Hoff­manns Büro geht aus, der Schlüssel dreht sich im Schloss. Fei­er­abend? »Fast«, erklärt sie »jetzt fahre ich nach Hause ins Donau­tal, esse zu Abend und setze mich später noch mal an den Schreib­tisch, um den Unter­richt für mor­gen vor­zu­be­rei­ten«. Und ihr Mann? »Hat Verständnis«, lacht sie, »immer­hin ist er auch Leh­rer – und sitzt abends neben mir.«