»Diese Entwicklung wird so weitergehen«

Prof. Dr. Harald Rau

Interview

»Diese Entwicklung wird so weitergehen«

Prof. Dr. Harald Rau

Interview

Oktober 2013

Die Zieglerschen findet man derzeit an 59 Standorten. Manche davon sind so groß wie der Haupt­sitz Wilhelms­dorf, andere so klein, dass dort nur ein einziger Mensch arbeitet. Blickt man da als Vorstand eigentlich noch durch? Und wie vermit­telt man allen Mitar­bei­tenden, dass sie Teil eines Unternehmens sind? Interview mit Prof. Dr. Harald Rau, Vorstands­vorsitzender der Zieglerschen.

Text: Petra Hennicke

Herr Rau, die Zieg­ler­schen gibt es der­zeit an 59 Stand­orten, man­che davon groß wie Wil­helms­dorf oder Bad Saul­gau, andere so klein, dass dort nur ein ein­zi­ger Mensch arbei­tet. Blickt man da eigent­lich noch durch? Wis­sen Sie zum Bei­spiel aus dem Hut, wo die Zieg­ler­schen über­all zu fin­den sind?
Alle Stand­orte bekomme ich sicher nicht auf Anhieb zusam­men, aber die meis­ten kenne ich schon. Ganz genau wis­sen es die Geschäftsführe­rin­nen und Geschäftsführer unse­rer Berei­che und da frage ich im Zwei­fel nach. Es ist mir aber noch nie pas­siert, dass ich durch einen Ort gefah­ren bin und über­rascht fest­ge­stellt habe: Huch, hier sind wir ja auch.

Die Zahl der Stand­orte ist in den letz­ten Jah­ren ste­tig gestie­gen. Wohin führt das? Sind die Zieg­ler­schen irgend­wann das Rote Kreuz?
Das Rote Kreuz wer­den wir sicher nicht. Aber es geht so wei­ter. Gerade in der Behin­der­ten­hilfe, wo es ja poli­ti­scher Wille ist, auf viele kleine dezen­trale Wohn­an­ge­bote statt großer Kom­ple­xein­rich­tun­gen zu set­zen. Hier wer­den wir in neue Orte kom­men, ohne dabei unsere ein­geführten Stand­orte auf­zu­ge­ben. Das ist unsere Dop­pel­stra­te­gie. Auch in der Alten­hilfe wer­den wir mode­rat wei­ter­wach­sen und neue Stand­orte ent­wi­ckeln.

Steigt nicht auch in der Jugend­hilfe – als Bei­spiel – die Zahl der Schul­so­zi­al­ar­bei­ter wei­ter an? Und gibt es nicht im Hör-Sprach­zen­trum immer mehr Inklu­si­ons­klas­sen?
Das stimmt natürlich. Gerade die ambu­lan­ten, fle­xiblen Ange­bote wer­den wei­ter zuneh­men. Und auch wenn es an die­sen Stel­len kein Gebäude mit dem Schild »Die Zieg­ler­schen« gibt, so sind das natürlich Mit­ar­bei­tende und Stand­orte unse­res Unter­neh­mens. Die Ent­wick­lung wird so wei­ter­ge­hen.

Wie ver­mit­telt man eigent­lich einer Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin in Och­sen­hau­sen, einem vierköpfi­gen The­ra­peuten­team in Ulm und einer Pfle­ge­rin in Aich­wald, dass sie Kol­le­gen eines Unter­neh­mens sind? Wie schafft man eine gemein­same Iden­tität?
Wenn wir davon aus­gin­gen, dass wir Unter­neh­mens­kul­tur und -iden­tität in fast 60 Stand­orte ein­fach expor­tie­ren, dann wäre das eine unlösbare Auf­gabe. Nein, wir haben fest­ge­stellt, dass unsere Mit­ar­bei­ten­den, auch die neuen, gut über unsere Kul­tur in den Zieg­ler­schen Bescheid wis­sen. Sie neh­men unsere kul­tu­rel­len und geist­li­chen Ange­bote gerne an, beschäfti­gen sich damit und drücken den Din­gen ihren eige­nen Stem­pel auf. Die Iden­titäts- und Unter­neh­mens­kul­tur­bil­dung ist also ein Pro­zess in beide Rich­tun­gen.

Aber braucht nicht auch ein dezen­tra­les Unter­neh­men ein Zen­trum, eine Zen­trale? Zum Bei­spiel Sixt oder SAP – die haben das ja auch.
Natürlich. Auch unsere Zen­trale hier in Wil­helms­dorf bleibt wich­tig. Ein geo­gra­fi­scher, gleich­zei­tig mit Geschichte und Tra­di­tion beleg­ter Ort, ist unbe­dingt iden­titätss­tif­tend. Ohne den geht es nicht.

Kos­ten mehr Stand­orte nicht auch mehr Geld?
Lei­der ja. Denn natürlich ist es bil­li­ger, EINEN Stand­ort mit 80 Mit­ar­bei­ten­den zu betrei­ben, mit Com­pu­tern zu bestücken, mit Infor­ma­tio­nen zu belie­fern etc. als vier Stand­orte. Oder eben 59. Dadurch stei­gen unsere Kos­ten: Ein­rich­tungs­kos­ten, Abstim­mungs­kos­ten, Wege­kos­ten, ein­fach alles. Wir sind der­zeit in inten­si­ven Gesprächen mit der Poli­tik, um ihnen das deut­lich zu machen. Das Thema wird uns und alle ande­ren sozia­len Träger in den nächs­ten Jah­ren inten­siv beglei­ten.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Tipp

Gerade in der Behindertenhilfe, wo es ja politischer Wille ist, auf viele kleine dezentrale Wohnangebote statt großer Komplexeinrichtungen zu setzen. Hier werden wir in neue Orte kommen, ohne dabei unsere eingeführten Standorte aufzugeben. Das ist unsere Doppelstrategie. Auch in der Altenhilfe werden wir moderat weiterwachsen und neue Standorte entwickeln.