Angedachtes_von

Prof. Dr. Harald Rau

»Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.« Gedanken zur neuen Jahreslosung vom Vorstandsvorsitzenden der Zieglerschen

Angedachtes

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Prof. Dr. Harald Rau

»Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.« Gedanken zur neuen Jahreslosung vom Vorstandsvorsitzenden der Zieglerschen

Angedachtes

März 2012

Die Kraft der Schwachen

Text: Prof. Dr. Harald Rau

Jesus spricht: »Meine Kraft ist in den Schwa­chen mächtig.« (2. Korin­ther 12,9)

Die Jah­res­lo­sung für das begon­nene Jahr 2012 ist mir beson­ders wert­voll, da sich in ihr eine wesent­li­che Bot­schaft Jesu fin­det. Jesus zeigt sich in vie­len Berich­ten ja nicht nur par­tei­isch. Er tritt für die recht­lo­sen Kin­der ein (»las­set die Kind­lein zu mir kom­men«), ergreift Par­tei für die ver­ach­tete und damals Recht bre­chende Frau (»wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ers­ten Stein«), hält mate­ri­el­len Reich­tum für hin­der­lich (»eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr kom­men als ein Rei­cher in das Reich Got­tes«), rückt das »Scherf­lein der Witwe« in den Mit­tel­punkt, stellt den Sama­ri­ter über die Pries­ter und Schrift­ge­lehr­ten – also die »offi­zi­elle Kirch« – und lädt ins­be­son­dere Fischer statt Poli­ti­ker und Indus­tri­elle ein, ihm in Jünger­schaft zu fol­gen. Hier schon zeigt sich: Jesus ergreift Par­tei für die »Klei­ne­ren«, die Schwa­chen, Recht­lo­sen, Aus­ge­stoßenen. Doch unsere Jah­res­lo­sung geht wei­ter: Über diese Par­tei­nahme hin­aus sagt Jesus, dass sein eige­nes Wir­ken, seine Bot­schaft und seine Kraft in den Schwa­chen mächtig wer­den. Viel­leicht sogar ent­fal­ten Jesu Wir­ken und Jesu Kraft sich erst und vor­ran­gig in den klei­nen und oft­mals benach­tei­lig­ten Men­schen.

In die­sen ers­ten Wochen des neuen Jah­res bestätigt sich für mich diese Bot­schaft wie­der deut­lich: Ich spüre Jesus nicht in den poli­ti­schen The­men, den Finanz­tur­bu­len­zen der Welt, dem ame­ri­ka­ni­schen Vor­wahl­kampf, der sich ja vor allem im Lager der Repu­bli­ka­ner eigent­lich doch viel um christ­li­che Grundsätze dreht. Ich habe an Weih­nach­ten aber die Kraft Jesu wie­der deut­lich gespürt, als ich mit dro­genabhängi­gen Männern, die fast alle auch kri­mi­nell waren, Weih­nach­ten fei­erte. Hin­ter der Härte und dem »star­ken Gehabe« ste­cken so viel Schwach­heit, so viel Ver­letzt­heit und so viel Hun­ger nach An- und Ernst­ge­nom­men­wer­den, dabei auch Sen­si­bi­lität für die oder den ande­ren Men­schen, ein Gespür für das »Kleine« und eine Offen­heit für andere Men­schen, die authen­tisch sind und sich eben nicht hin­ter Fassa­den der Macht, des Reich­tums und des »Bes­se­ren« ver­ste­cken.

Gerade wir in der Dia­ko­nie haben eine beson­dere Chance, Jesu Kraft in den Schwa­chen zu spüren. Ich möchte und werde mit die­ser Jah­res­lo­sung meine Bereit­schaft stärken, mich anrühren und mit­neh­men zu las­sen, gerade durch die schwa­chen und klei­nen Men­schen.

Ich wünsche uns mit die­ser Jah­res­lo­sung ein Jahr, das unsere Wahr­neh­mung für das Kleine und Schwa­che inmit­ten der so großen und ver­meint­lich wich­ti­gen The­men schärft; Zeit und Bereit­schaft für den Umgang mit den Men­schen, in denen Jesus wirkt; Kraft und Mut, um Par­tei für die Men­schen und damit im zwangsläufi­gen Umkehrschluss auch gele­gent­lich Par­tei gegen ein ande­res Pro­jekt oder Thema zu ergrei­fen; zuver­sicht­li­ches Ver­trauen auf die Kraft im Schwa­chen und genügend Distanz zu Dyna­mi­ken der Stärke und Macht. Ich wünsche uns allen Zugang zu der Kraft Jesu, die in den Schwa­chen mächtig ist.