»Niemand soll gegen seinen Willen umziehen müssen«

Katrin Altpeter

Interview

»Niemand soll gegen seinen Willen umziehen müssen«

Katrin Altpeter

Interview

März 2012

Katrin Altpeter, SPD, ist Ministerin für Arbeit und Soziales in der neuen grün-roten Landesregierung. Welche Schwer­punkte setzt sie in ihrer Politik für Menschen mit Behinderung? Und was plant die Regierung, um Träger wie die Zieglerschen bei der Heraus­forderung Inklusion zu unterstützen? 

Text: Willi Hiesinger und Annette Scherer

Frau Minis­te­rin, Men­schen mit Behin­de­rung sol­len nicht mehr in großen Hei­men leben müssen, son­dern ihre Woh­nung selbst wählen können. Die Zieg­ler­schen set­zen dies bereits mit großem finan­zi­el­lem Auf­wand um und bauen dezen­trale kleine Ein­hei­ten an meh­re­ren Orten. Doch führt der Um- und Rückbau von Kom­ple­xein­rich­tun­gen nach Exper­ten­mei­nung allein in Baden-Württem­berg zu Inves­ti­tio­nen von 350 bis 500 Mil­lio­nen Euro. Die der­zei­tige Förde­rung reicht dafür nicht. Wie plant die Regie­rung, diese Her­aus­for­de­rung zu meis­tern?
Die kri­ti­sche Dis­kus­sion über große Kom­ple­xein­rich­tun­gen gibt es seit vie­len Jah­ren. Gerade in Baden-Württem­berg befin­den sich aller­dings schon viele Ein­rich­tun­gen auf dem Weg zu wohn­ort- und gemein­de­na­hen Ange­bo­ten. Wich­tig ist, dass die betref­fen­den Träger eigen­ver­ant­wort­lich nach­fra­ge­ge­rechte, unter­neh­me­ri­sche Kon­zepte für ihre Ein­rich­tun­gen ent­wi­ckeln. Fest steht schon jetzt, dass die erfor­der­li­chen zusätzli­chen Sum­men nicht auf ein­mal anfal­len, son­dern über viele Jahre ver­teilt. Dabei ist auch zu beden­ken, dass viele Men­schen in ihren Behin­der­ten­ein­rich­tun­gen, in denen sie teil­weise schon seit Jahr­zehn­ten leben, hei­misch gewor­den sind und dort blei­ben wol­len. Ich will nicht, dass sie gegen ihren Wil­len oder den ihrer Eltern umzie­hen müssen. Wir leis­ten zu den Inves­ti­tio­nen nur Zuschüsse. Es ist daher denk­bar, dass schon durch Verände­run­gen der Förder­mo­da­litäten eini­ges auch mit den bis­her eta­ti­sier­ten Förder­mit­teln von rund 7 Mil­lio­nen jährlich erreicht wer­den kann.

Bis­her erhal­ten die Träger, die in ihre Behin­der­ten­hil­fe­ein­rich­tun­gen inves­tie­ren, Zuschüsse aus Ihrem Minis­te­rium. Die Ver­wal­tungs­vor­schrift, die dies regelt, läuft zum Ende des Jah­res aus. Worauf müssen wir uns dann ein­stel­len?
Ja, die Ver­wal­tungs­vor­schrift läuft Ende 2012 aus. Wir wer­den die Wei­ter­ent­wick­lung der Inves­ti­ti­onsförde­rung im Förderaus­schuss recht­zei­tig mit allen Betei­lig­ten dis­ku­tie­ren. Dabei wird der vor­her ange­spro­chene Finanz­be­darf eine Rolle spie­len. In der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung haben wir uns dar­auf verständigt, die Umwand­lung ins­be­son­dere unter Her­an­zie­hung von EU-Mit­teln und dem Land zuge­wie­se­nen Bun­des­mit­teln des Wohn- und Städte­baus zu fördern.

Die frühere schwarz-gelbe Lan­des­re­gie­rung wollte die soge­nannte »Lan­des­heim­per­so­nal­ver­ord­nung« neu regeln. Wir hätten sehr viel mehr Per­so­nal ein­stel­len müssen, die finan­zi­elle Belas­tung wäre noch­mals gestie­gen. Nimmt Ihre Regie­rung das Ver­fah­ren wie­der auf, und wenn ja – mit wel­chen Inhal­ten?
In der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung steht, dass wir das Lan­des­heim­ge­setz, das sich nur auf den sta­tionären Bereich bezieht, »vollständig über­ar­bei­ten, um für alle Ein­rich­tun­gen und Dienste eine Qua­litätskon­trolle zu ermögli­chen und einen bestmögli­chen Ver­brau­cher­schutz zu garan­tie­ren«. Dabei sol­len Ker­n­ele­mente des Lan­des­heim­ge­set­zes und der Ver­ord­nun­gen zur bau­li­chen Gestal­tung von Hei­men und zur Mit­wir­kung in Hei­men erhal­ten blei­ben. Die per­so­nelle Aus­stat­tung in Hei­men muss den jewei­li­gen beson­de­ren Bedürfnis­sen der unter­schied­li­chen Bewoh­ner gerecht wer­den. An der Fach­kraft­quote von 50 Pro­zent will ich fest­hal­ten.

Vie­len Dank für das Gespräch.