Titelthema
März 2020
Nachhaltigkeit
Alle reden über Klimawandel, Müllvermeidung, Energiewende, Nachhaltigkeit ... Und die Zieglerschen?
Text: Volkmar Schreier
Klimawandel, Energiewende, Elektromobilität: Viel ist in Bewegung geraten, seit die 15-jährige Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament begann, fürs Klima zu streiken. Mit den »Fridays for Future« hat sich eine weltumspannende Jugendbewegung etabliert, die von der Gesellschaft nachdrücklich Anstrengungen zum Klimaschutz fordert. Und in Deutschland ringen Politik und Unternehmen darum, den Klimaschutz endlich ernster zu nehmen als bisher. Das Thema Nachhaltigkeit hat unsere Gesellschaft erfasst. Und die Zieglerschen?
»Man stößt eigentlich immer wieder darauf und das nicht erst seit letztem Jahr«, hat Gottfried Heinzmann, Vorstandsvorsitzender der Zieglerschen, beobachtet. »Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit sind vielen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig.« Folgerichtig findet sich im Leitbild der Zieglerschen, das immerhin schon vor zwölf Jahren entstanden ist, weit vorne der Satz »Wir leisten unseren Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung«. Und ebenso folgerichtig taucht das Thema fast immer auf, wenn es um Ziele und Visionen der Zieglerschen geht.
Einer der Mitarbeiter, denen das Thema am Herzen liegt, ist Ulf Steinmann. Licht aus, Heizung runter, Papier beidseitig bedrucken – Energie und Ressourcen sparen ist für ihn, der sich selbst als »Öko« bezeichnet, schon immer normal. Steinmann, Lehrer an der Leopoldschule der Zieglerschen in Altshausen, ist so etwas wie ein Öko-Pionier. Seit fast 20 Jahren unterrichtet er an der Schule – früher wurde er immer etwas belächelt. Beispielsweise dafür, dass er sich als »Kopierbeauftragter« für Recyclingpapier stark gemacht hat. Oder dafür, dass er Fehlkopien gesammelt und als Notizpapier im Lehrerzimmer deponiert hat. Auch dafür, dass er den Kaffeesatz aus der Maschine als Dünger mit nach Hause nimmt oder die Kaffeetüten aus Plastik sammelt und Taschen daraus näht. Upcycling und Wiederverwendung stehen für ihn im Vordergrund: »Wichtig ist doch, dass sich der ursprüngliche Ressourceneinsatz gelohnt hat.«
In den letzten Jahren ist sein Credo – »nicht belehren, sondern Vorbild sein« – immer mehr auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Notizzettel im Lehrerzimmer werden mittlerweile von allen genutzt. Und das Thema Recyclingpapier steht gerade wieder auf der Tagesordnung. »Seit es auch weißes Recyclingpapier gibt – und auch durch die Klimadiskussion – kommt das wieder«, berichtet Steinmann.
Generell stellt er fest, dass die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Schulgemeinschaft wichtig geworden sind. »Heute fragen die Schüler: Was verbraucht wie viel Energie in der Herstellung? Da ist mittlerweile, gerade bei den Jüngeren, eine größere Offenheit da.« Ebenso der Wunsch, konkret zu handeln. So gibt es an der Leopoldschule einen Arbeitskreis »Klimafreundliche Schule«, in dem Schüler und Schulleitung gemeinsam Ideen für mehr Klimaschutz entwickeln. Und in der sechsten Klasse gibt es einen Schüler, der als Freiwilliger für die Stiftung »Plant for the Planet« Vorträge vor Lehrer- und Schülerschaft über Klimaschutz hält. »Wenn das ein Sechstklässler einfach macht, finde ich das klasse«, ist Ulf Steinmann beeindruckt.
Was Ulf Steinmann beobachtet, der sich halb im Spaß, halb im Ernst bescheinigt, früher »ein noch extremerer Öko« gewesen zu sein, zieht sich durch die Zieglerschen als Ganzes: An vielen Stellen tut sich was in Sachen Nachhaltigkeit. In der Lassbergschule des Hör-Sprachzentrums in Sigmaringen gehen die Kinder zwar freitags nicht protestieren – beschäftigen sich aber im Unterricht regelmäßig mit dem Thema Umweltschutz, berichtet Schulleiterin Alexandra Hoffmann. Das Thema nähmen sie sehr ernst: »Ein Vater hat mir erzählt, dass sein Sohn nicht mehr zu McDonalds mitkäme – die würden zu viel Müll produzieren.«
Und noch mehr ist in den Zieglerschen in Bewegung: In der Suchthilfe hat die Fachklinik Höchsten die Plastikbecher, in denen die Medikamente verteilt werden, abgeschafft – eine Idee des Teams. Im Fuhrpark der Zieglerschen finden sich seit kurzem die ersten Elektrofahrzeuge nebst Ladestation auf dem Parkplatz in Wilhelmsdorf. Ein neues Drucker-Management wird gerade flächendeckend eingeführt: Weniger Drucker, weniger Toner, weniger Ausdrucke sind das Ziel. Wasser gibt es nicht mehr in Plastik-, sondern in Mehrweg-Glasflaschen. Und die Rotach-Gärtnerei der Behindertenhilfe ist schon seit 1997 BIOLAND-zertifiziert.
Schon lange tut sich auch etwas in Sachen Energiesparen und -gewinnung, wie Christoph Arnegger, Geschäftsführer des Facility Managements weiß. »Die Zieglerschen haben schon vor über zehn Jahren im Rahmen des ›100-Dächer-Programmes‹ geprüft, wo es Sinn macht, Photovoltaikanlagen zu installieren«, berichtet Arnegger. Treiber waren damals vor allem Einsparmöglichkeiten bei Energiekosten. Heute steht die Nachhaltigkeit bewusst im Fokus. »Für jedes Gebäude, das gebaut oder saniert wird, erstellen wir eine ökologische Gesamtkonzeption«, sagt Arnegger. Wie kann es möglichst sparsam und umweltfreundlich beheizt werden? Nach welchem Energiestandard wird gebaut oder saniert? Welche Energieträger kommen zum Einsatz? Und rechnet es sich dann auch wirtschaftlich?
Die Antworten auf diese Fragen muten manchmal kreativ an. So wird etwa die Fachklinik Höchsten in Bad Saulgau mit der Abwärme des Thermalbads beheizt. Und in Wilhelmsdorf sorgt seit Jahren ein Blockheizkraftwerk für Wärme: mit Holzhackschnitzeln und Biogas. Das gerade im Bau befindliche neue Seniorenzentrum in Bad Waldsee wird sogar mehr Energie produzieren, als es selbst verbraucht – durch eine Kombination aus Blockheizkraftwerk und Photovoltaik. Vor Ort umweltfreundlich den Strom produzieren, den man dann direkt selber verbraucht: Das passiert beispielsweise auch in der zentralen NEULAND-Produktionsküche. Das spart Stromkosten und macht sich auch im CO2-Abdruck der Zieglerschen bemerkbar.
Rund 8.000 Tonnen CO2 stoßen die Zieglerschen im Moment pro Jahr aus – ein Wert, der kontinuierlich sinken soll. »Klares Ziel ist es, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden und den CO2-Ausstoß zu reduzieren«, legt sich Christoph Arnegger fest. So hat sich beispielsweise der Anteil heizölgefeuerter Anlagen bei den Zieglerschen seit 2010 um 77 Prozent reduziert. Davon profitiert nicht nur die Umwelt: Ab 2021, so die Pläne der Bundesregierung, soll eine Tonne CO2 immerhin 25 Euro kosten – das wären beim derzeitigen Ausstoß der Zieglerschen 187.500 Euro Mehrkosten pro Jahr.
Dabei muss man beim Thema Energiesparen gar nicht immer am großen Rad drehen und ein Gebäude aufwendig sanieren oder neu bauen. Christoph Arnegger hat ein paar Tipps auf Lager, wie jeder einfach und effektiv Energie sparen kann: Stoßlüften statt Fenster »auf Kipp«, das Licht löschen, wenn man einen Raum verlässt, die Heizung kleiner drehen: »Wenn die Raumtemperatur nur um 1 Grad sinkt, spart man schon über sechs Prozent Energie!«
Also alles auf dem besten Weg? Nein, nicht überall in den Zieglerschen lässt sich der Anspruch, ökologisch-nachhaltig zu arbeiten, hundertprozentig umsetzen. Von den Grenzen der Nachhaltigkeit berichtet Sina Krüger, Regionalleiterin in der Altenhilfe. »Klar, wir versuchen, das Bestmögliche in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit rauszuholen«, sagt sie. Aber: »In unserem Kerngeschäft, der Pflege am Menschen, stecken wir schon ein wenig fest.« Denn: Will man beispielsweise wirklich von den modernen Inkontinenzartikeln, die nach Gebrauch im Müll landen, weg und zur Stoffwindel zurück? Generell sei Müllvermeidung ein schwieriges Thema. Ein Hoffnungsschimmer zeichne sich aber zumindest ab, denn mittlerweile gibt es sogenannte »intelligente Inkontinenzartikel«, die per Funk mitteilen, wenn sie gewechselt werden müssen.
An anderen Stellen kommt Sina Krüger aus dem Kopfschütteln nicht heraus, wie sie erzählt. Etwa dann, wenn die Wäsche der Bewohner aus der Wäscherei zurückkomme. Jede Hose, jede Bluse, jedes Hemd sei extra in Plastikfolie verpackt, erzählt sie. Das Problem dabei: »Es ist eine Hygienevorgabe.« Obendrauf komme dann noch für jedes einzelne Wäschestück ein angehefteter Lieferschein aus Papier – die reinste Ressourcenverschwendung, wie Sina Krüger findet, denn Plastik und Papier landen im Müll. Der wiederum sollte eigentlich getrennt werden, aber: »Wie soll ich einer dementen 90-Jährigen erklären, was Mülltrennung ist?« Es sei ja schon manchmal für die Mitarbeiter schwierig, was am Ende in welche Tonne müsse. Immerhin: Die Essensreste würden gesammelt und einer Spezialfirma übergeben.
Auch beim Thema Essen ist nicht alles, was wünschenswert wäre, auch machbar. Rund 5.000 Essen produziert das Team um Küchenleiter Lothar Stützle täglich. Schon bei der Konzeption der neuen Zentralküche wurde viel dafür getan, die Abläufe möglichst effizient und ressourcenschonend zu planen. So sorgt ein ausgeklügeltes Bestellsystem dafür, dass nur so viel eingekauft wird, wie benötigt wird, erklärt Stützle: »Im Lager haben wir immer nur kleine Mengen.« Das spart nicht nur Geld, sondern es muss praktisch auch nichts mehr weggeworfen werden, und: »Die Lieferanten haben nicht mehr so viele Fahrten zu uns.« Ähnliches gilt für die Auslieferung der Mahlzeiten. »Wir liefern nur noch drei Mal in der Woche aus – auch das spart Fahrtwege.«
An seine Grenzen stößt der Anspruch, ökologisch-nachhaltig zu sein, jedoch beim Wareneinkauf. Während Salat und Gemüse aus der BIOLAND Rotach-Gärtnerei der Zieglerschen kommen, wird es bei anderen Lebensmitteln schwierig, »öko« einzukaufen, etwa beim Fleisch. »Wir haben zwar regionale Lieferanten, aber das Fleisch ist konventionell produziert«, erläutert Stützle. Abgesehen davon, dass es auf dem Markt gar nicht genug Biofleisch gäbe, sei es eben eine Frage des Preises, ob man nun Biooder konventionell produzierte Ware einkaufe. »Biofleisch sprengt einfach finanziell den Rahmen.«
Nachhaltig also nur dann, wenn es wirtschaftlich passt? Zunächst einmal, das sagt auch Constantin Knall, der bei den Zieglerschen mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst ist (siehe unseren Expertentipp), sei ja nichts Verwerfliches dabei, wenn ein Unternehmen wirtschaftlich denke und handle. »Aber wenn es die Welt ernst meinen sollte mit der Bekämpfung des Klimawandels, müssen auch wir Zieglersche uns auf grundlegende Veränderungen einstellen.« Und: »Ich gehe davon aus, dass es zu einer Verschiebung der Prioritäten hin zur Nachhaltigkeit kommen wird.« Das sieht auch sein Chef Gottfried Heinzmann so: »Nachhaltigkeit ist in unserem Leitbild verankert. Doch wie setzen wir das heute und künftig konkret um? Welche Veränderungen sind damit verbunden?« Fragen, die noch nicht abschließend geklärt, aber auf dem Weg sind. Erst vor wenigen Wochen hat sich die gesamte Führungsspitze der Zieglerschen mit einem Beschluss zu mehr Nachhaltigkeit bekannt, in dem es heißt: »Die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit berücksichtigen wir bei unseren Entscheidungen. Wir halten den eigenen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich und gehen schonend mit Ressourcen um.« Die Weichen sind also gestellt.
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In der Lassbergschule gehen die Kinder Freitags nicht protestieren, beschäftigen sich aber im Unterricht mit Umweltschutz. mehr lesen: Die Lassbergschule

Nachhaltig geplant: Das neue Seniorenzentrum in Bad Waldsee, hier ein Bild von der Baustelle, wird mehr Energie produzieren, als es verbraucht.
mehr lesen: Seniorenzentrum Bad Waldsee

Beim Thema Essen ist nicht alles, was in Sachen Nachhaltigkeit wünschenswert wäre, auch machbar.