Titelthema

Dezember 2017

Alles schläft, einer wacht?

Nacht und Dunkelheit scheinen die Menschen schon seit Lebzeiten zu beschäftigen. Auch Gott tritt in der Bibel oft nachts in Erscheinung. Vor allem in der Heiligen Nacht, die wir in wenigen Wochen feiern dürfen. Und was passiert nachts in den Zieglerschen? Wie werden suchtkranke Patientinnen in der Klinik betreut? Und anders herum: Warum ist der Nachtdienst in der Altenpflege oft der beliebteste bei den Kollegen? Lesen Sie selbst, wie es zugeht – nachts in den Zieglerschen.

Text: Annette Scherer, Vanessa Lang, Jacqueline de Riese, Jens Walther, Gabriele Bräuning, Katharina Stohr

»Jede Nacht ist anders«, erzählt Eli­sa­beth Schwai­ger. »Man weiß nie, was einen im Dienst erwar­tet und muss immer fle­xi­bel sein.« Eli­sa­beth Schwai­ger ist eine, die es wis­sen muss. Die 55-Jährige arbei­tet seit fast 20 Jah­ren nachts und am Woche­n­ende als Kran­ken­schwes­ter in der Fach­kli­nik Höchs­ten in Bad Saul­gau. In die­ser Kli­nik der Zieg­ler­schen wer­den abhängig­keits­er­krankte Frauen behan­delt.

For­mal gese­hen ist jede Nacht gleich: Von 22 Uhr bis 6 Uhr ist Nachtruhe, gegen 22 Uhr star­tet die Nacht­schwes­ter ihren letz­ten Rund­gang und schaut, ob alle Pati­en­tin­nen auf ihren Zim­mern sind. Ab 23.30 Uhr hat sie Bereit­schaft. Dazu zieht sie sich ins Bereit­schafts­zim­mer zurück, in dem auch eine Liege steht. Bis zum nächs­ten Mor­gen bleibt Eli­sa­beth Schwai­ger Ansprech­part­ne­rin für drin­gende Anlie­gen der Pati­en­tin­nen oder Notfälle. »Ein Not­fall kann zum Bei­spiel eine Panikatta­cke sein oder wenn eine Pati­en­tin plötzlich uner­war­tete körper­li­che Beschwer­den hat«, erklärt Irm­hild Nething, die ärzt­li­che Lei­te­rin und Fachärztin für Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie in der Fach­kli­nik Höchs­ten. Jede Pati­en­tin hat ein Tele­fon auf dem Zim­mer und kann die Nacht­schwes­ter im Not­fall jeder­zeit errei­chen. »Wenn nachts die vom Arzt ver­schrie­be­nen Medi­ka­mente einer Pati­en­tin nicht aus­rei­chen, wenn jemand rückfällig wird oder medi­zi­ni­sche Pro­bleme auf­tre­ten, wird der dienst­ha­bende Bereit­schafts­arzt verständigt«, erläutert die Ärztin.

Bei Eli­sa­beth Schwai­ger schauen zwi­schen Nachtruhe und Bereit­schafts­zeit immer wie­der Pati­en­tin­nen vor­bei: Eine junge Dame klagt über Schmer­zen und holt ihre Medi­ka­mente ab, eine andere kommt zum Inha­lie­ren. Die nächste Pati­en­tin mel­det sich nach einer Heim­fahrt zurück und dann klin­gelt zu später Stunde noch das Tele­fon, weil ein Angehöriger sich Sor­gen um seine Part­ne­rin macht. »Immer wie­der kom­men auch Pati­en­tin­nen vor­bei, die ein­fach nur reden wol­len. Auslöser kann ein belas­ten­des Tele­fonat mit Angehörigen sein oder das Ende einer Bezie­hung«, berich­tet die erfah­rene Kran­ken­schwes­ter. »Dann neh­men wir uns Zeit. Wir hören zu und beru­hi­gen die Pati­en­tin, damit sie die Nacht gut über­steht, mit ihren Pro­ble­men klar­kommt und es aus­hal­ten kann. Am nächs­ten Tag kann sie das Thema dann mit ihrem The­ra­peu­ten ange­hen«, sagt Eli­sa­beth Schwai­ger.

Nacht­dienst. Was für Eli­sa­beth Schwai­ger nach fast 20 Jah­ren schon Rou­tine ist, erlebte Julia Körner vor weni­gen Wochen zum ers­ten Mal. Die 24-Jährige arbei­tet in Engen im Land­kreis Kon­stanz. Hier eröffnete im Som­mer der jüngste Stand­ort der Behin­der­ten­hilfe. Für Julia Körner war die erste Nacht in Engen zugleich die erste Nacht­schicht nach ihrer Aus­bil­dung. Und wie war es? »Schlaf­los!«, erzählt sie lachend. »Aber es ging erstaun­lich leicht. Wie im Flug war die Nacht vor­bei.« Da im Haus alles ruhig blieb, konnte sie die vie­len Auf­ga­ben am Schreib­tisch erle­di­gen. »Das bleibt halt oft lie­gen. Wir sind zuerst für unsere Bewoh­ner und dann im Moment auch noch für die Hand­wer­ker da – aber wir sind ja fle­xi­bel.«

Apro­pos Bewoh­ner. Auch für die 20 Men­schen mit Behin­de­rung, die bereits in der Enge­ner Mun­dingstraße ein­ge­zo­gen sind, war es die erste Nacht in einem neuen Haus. Wie fühlt es sich an, in einer frem­den Stadt, in einem neuen Zim­mer ins Bett zu gehen? »Super!«, »Toll!«, »Klasse!«, »Ich habe rich­tig gut geschla­fen!« Die Ant­wor­ten der Neu-Enge­ner, teils über­setzt aus Gebärden­spra­che, fal­len ein­deu­tig aus: Ihnen gefällt das neue Haus. Das kleine Team um Ein­rich­tungs­lei­te­rin Chris­tina Hörr ist zufrie­den. Sch­ließlich haben sie viel getan, damit der Umzug vom alten Zuhause – die Has­lachmühle im Land­kreis Ravens­burg – ins 75 Kilo­me­ter ent­fernte Engen so leicht wie möglich fällt. Möbel, Bil­der, Pla­kate und Pflan­zen wur­den mit­ge­nom­men und die neuen Zim­mer damit ein­ge­rich­tet. So wurde das »neue Haus« für alle schnell zum »neuen Zuhause«. Und Julia Körner freut sich auf wei­tere ruhige Nächte, in denen sie Lie­gen­ge­blie­be­nes erle­di­gen kann.

Und in der Alten­hilfe? 23 Senio­ren­zen­tren betrei­ben die Zieg­ler­schen, rund 3.200 Men­schen wer­den hier betreut – natürlich rund um die Uhr. Nacht­schich­ten gehören zum Beruf des Alten­pfle­gers also ein­fach dazu. Ist der Nacht­dienst für sie eine regelmäßige Qual? Über­ra­schen­der­weise nicht! Und noch über­ra­schen­der: In der Alten­hilfe arbei­ten rund 50 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter fast aus­sch­ließlich im Nacht­dienst. Auf eige­nen Wunsch! Weil die Nacht­schicht ihrer Lebens­pla­nung und ihrem Rhyth­mus ent­spricht.

Da ist zum Bei­spiel eine junge Mut­ter. Während sie von 20.30 Uhr bis 06.30 Uhr im Senio­ren­zen­trum als Pfle­ge­fach­kraft arbei­tet, kümmert sich ihr Mann um das einjährige Kind. Mor­gens kommt sie nach Hause, bringt ihr Kind in die Kin­derkrippe und legt sich ins Bett. Dafür hat sie den gan­zen Nach­mit­tag Zeit für ihre Toch­ter. Fami­li­en­freund­li­che Arbeits­zeit kann – wie in die­sem Fall – eben auch die Nacht­schicht sein.

Und dann gibt es noch die ande­ren Typen: Deren Leben fin­det immer nachts statt, da ihr Bio­rhyth­mus opti­mal an die Nacht­ar­beit ange­passt ist. Teil­weise opti­mie­ren Teil­zeitkräfte dank der Nacht­schicht auch die Anzahl der freien Tage. Für sie bedeu­tet das Arbei­ten in der Nacht mehr Frei­zeit im Pri­vat­le­ben und somit mehr Lebens­qua­lität. Die Ein­rich­tungs­lei­tun­gen erfüllen die Wünsche nach Nacht­diens­ten in der Regel gerne. Gut für die Mit­ar­bei­ter – gut für den Dienst­plan. Wie gut, dass die Men­schen so unter­schied­lich sind.

Und wie läuft so eine Nacht­schicht im Pfle­ge­heim? Alles ruhig, alles still – so wie in Engen? Nicht unbe­dingt. Ilona Schro­e­ter, Nacht­schwes­ter im Hen­ri­et­ten­stift Kirch­heim/Teck berich­tet: »Viele Bewoh­ner mit Demenz fol­gen auch nachts ihrem Bewe­gungs­drang und sind auf den Flu­ren unter­wegs.« Der Nacht­dienst ver­sucht sie zu beru­hi­gen. Manch­mal hilft heiße Milch mit Honig, manch­mal auch ein Snoe­ze­len­raum, wie er zum Bei­spiel im Karls­s­tift Schorn­dorf dank Spen­den­mit­teln ein­ge­rich­tet wurde. Wer nachts nicht schla­fen kann, kann sich hier­hin zurückzie­hen, zur Ruhe kom­men und in den Schlaf fin­den.

In den Schlaf fin­den – auch bei Kin­dern und Jugend­li­chen ist das bekannt­lich nicht immer leicht. Des­halb gibt es im Inter­nat der »Schule am Wolfsbühl« in Wil­helms­dorf spe­zi­elle Aben­dri­tuale. In der Wohn­ge­mein­schaft 2/3 von Erzie­her Cars­ten Syben läuft das Aben­dri­tual zum Bei­spiel immer so: »Bei den älte­ren Jugend­li­chen gibt es eine gemein­same Runde. Hier sitzt man gemein­sam im Wohn­zim­mer, im Dienst­zim­mer oder im Zim­mer des Jugend­li­chen«, sagt Syben. Die WG-Bewoh­ner erzählen dann zum Bei­spiel von ihren Erleb­nis­sen am Woche­n­ende, etwa der Party am Sams­tag­abend: Ein Junge hat ein net­tes Mädel gese­hen und ruck, zuck geht das Thema in Rich­tung Freund­schaft. Wich­tig ist für Cars­ten Syben, »dass die Gesprächsthe­men wirk­lich von den Jugend­li­chen selbst kom­men«. Meis­tens sitzt er mit einem oder zwei Jugend­li­chen zusam­men und es kom­men noch wei­tere dazu.

Bei den jünge­ren läuft das Aben­dri­tual ein biss­chen anders. Sie gehen gegen 20.30 Uhr ins Bett und Cars­ten Syben wünscht dabei jedem Ein­zel­nen noch­mals eine gute Nacht. Auch hier gibt es viele nette Gespräche, die schnell mal eine halbe Stunde dau­ern. Um 22 Uhr ist schließlich »Dead­line« für alle, weil die Abend­schicht für die Erzie­her um 22.00 Uhr bezie­hungs­weise 22.30 Uhr endet. Wenn jetzt hof­fent­lich alle Kin­der schla­fen, gibt es eine Nacht­be­reit­schaft, die ihre Run­den durch die Wohn­ge­mein­schaf­ten macht und horcht, ob alles ruhig ist.

Während in Wil­helms­dorf alles schläft, sind anderswo noch lange viele Men­schen wach. Meis­tens unge­wollt. Und dann sind sie glücklich, wenn nachts jemand da ist. Das weiß auch das Team des Fern­seh­got­tes­diens­tes »Stunde des Höchs­ten«. »Wir waren anfangs über­rascht, als Bibel TV uns fünf Sen­de­zei­ten pro Woche zur Verfügung stellte«, sagt Gabriele Bräuning, die die Zuschauer des Fern­seh­got­tes­diens­tes betreut. »Eine davon war mit­ten in der Nacht: von Mitt­woch auf Don­ners­tag, um 1.30 Uhr. Wir dach­ten uns: Das ist ja ver­geb­lich. Wer schaut uns schon mit­ten in der Nacht!«

Aber weit gefehlt. Immer wie­der erhält das Got­tes­dienst­team Zuschrif­ten, wie diese bei­den:

»Ich bin Unter­neh­mer. Oft arbeite ich bis nach Mit­ter­nacht. Habe Sit­zun­gen, die sich lange hin­zie­hen. Tagsüber habe ich kaum Zeit, an mich zu den­ken und die Gedan­ken zu sor­tie­ren. Wenn ich dann spätabends nach Hause komme bzw. frühmor­gens, kann ich nicht gleich abschal­ten. Dann schalte ich oft die ›Stunde des Höchs­ten‹ ein. Das ist für mich ein wun­der­ba­rer Got­tes­dienst, um abzu­schal­ten. Um auf­zu­tan­ken. Und um die Gedan­ken zu sor­tie­ren. Danke für Eure Got­tes­dienste.« Oder die­sen: »Mein Mann hatte vor zwei Jah­ren einen schwe­ren Schlag­an­fall. Seit­dem ist er gelähmt und braucht inten­sive 24-Stun­den-Pflege. Bis­her schaffe ich das noch alleine. Aber es ist sehr anstren­gend. Oft muss ich mit­ten in der Nacht auf­ste­hen, ihn mit Sau­er­stoff ver­sor­gen oder neu bet­ten. Danach fällt es mir schwer, wie­der ein- und wei­ter­zu­schla­fen. Oft­mals schaue ich dann Bibel TV. Und wenn ich Glück habe, läuft gerade ›Stunde des Höchs­ten‹. Mit­ten in der Nacht so eine wohl­tu­ende Quelle. Das schätze ich sehr, das gibt mir neue Kraft. Danke für Eure Got­tes­dienste!«

»Wir freuen uns sehr, dass Bibel TV uns quasi ›rund um die Uhr‹ sen­det«, sagt Gabriele Bräuning. Auch Frei­tagfrüh um 6 Uhr mel­den sich viele Zuschauer, die vor dem Auf­ste­hen noch schnell ›Stunde des Höchs­ten‹ schauen, um so einen guten Start in den Tag zu erwi­schen. Pro Woche errei­chen die Zieg­ler­schen über ihren Fern­seh­got­tes­dienst über 500.000 Men­schen in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Dazu kom­men noch viele User der bei­den Media­the­ken. Schauen Sie doch auch mal rein! » www.stun­de­deshöchs­ten.de

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