»Ein dickes Auto macht mich nicht glücklicher«

Porträt

»Ein dickes Auto macht mich nicht glücklicher«

Julius Fröscher

Porträt

April 2023

Mit achtzig entschloss sich Julius Fröscher einen Teil seines Geldes zu stiften und einen Stifterfonds für Kinder, Jugend­liche und Familien in der Region zu gründen. »Ich brauche keine Yacht und auch kein grosses Auto«, sagt er. »Das Lächeln eines Kindes ist der schönste Kapital­ertrag.« Das Porträt.

Text: Petra Hennicke

Ein traum­haf­ter Frühlings­tag im April: der Him­mel ohne ein Wölkchen, die Sonne wärmt, Vögel zwit­schern. Von der Ter­rasse eines Hotels schweift der Blick über Wie­sen, über die hier noch sanfte, fried­li­che Donau bis hinüber zum impo­san­ten Sig­ma­rin­ger Schloss. Alles strahlt Ruhe und Schönheit aus, fast schon unwirk­lich mutet es an. – »Diese Din­ger!«, ärgert sich Julius Fröscher in die Idylle hin­ein. »Man müsste sie sofort ver­bie­ten. Alles machen sie kaputt!« Julius Fröscher ist 88 Jahre alt und »die Din­ger« sind drei Rasenmäh-Robo­ter. Laut­los dre­hen sie ihre Run­den auf der Wiese vorm Hotel. Ein­mal in Fahrt erklärt Fröscher, dass die Geräte Klein­tiere und Insek­ten zerhäckseln, dass ein so kurz gemähter Rasen schlecht für die Bie­nen sei und über­haupt, das wäre doch nicht mehr zeit­gemäß. Wenn er könnte, so spürt man, würde er die Robo­ter am liebs­ten persönlich aus­schal­ten.

Fröscher, im ober­schwäbischen Biber­ach gebo­ren, ist einer, der gerne deut­lich sagt, was er für falsch oder für rich­tig hält. Vor allem aber ist er jemand, der kon­se­quent nach sei­nen Wer­ten lebt. Des­halb will er wis­sen, woher das Fleisch auf sei­nem Tel­ler stammt. Des­halb gibt er sein Geld nicht für teure Mode oder unnötigen Luxus aus. Und des­halb hat sich der gelerne Kauf­mann ent­schie­den, einen Großteil des Gel­des, das er jahr­zehn­te­lang in großen Phar­ma­kon­zer­nen ver­dient hat, zu stif­ten.

Seit 2015 gibt es einen Julius-Fröscher-Fonds, mit dem er Kin­der, Jugend­li­che und Fami­lien in der Region unterstützt. Das sind zum Bei­spiel Som­mer­frei­zei­ten für Kin­der, deren Fami­lien sich kei­nen Urlaub leis­ten können. Der Biber­a­cher ist froh darüber: »Kei­ner konnte sich aus­su­chen, in wel­che Verhältnisse er hin­ein­ge­bo­ren wurde.«

Der Stif­ter Julius Fröscher, gebo­ren 1934, ist kein Mil­lio­ne­nerbe und auch kein rei­cher Unter­neh­mer. Er sieht sich selbst als »Durch­schnittsbürger«: 41 Jahre ver­hei­ra­tet mit sei­ner lei­der ver­stor­be­nen Frau Trudy, zwei Söhne großgezo­gen, viel gear­bei­tet und gerne gereist. Mit dem VW-Bully durch Europa, mit dem Rad ent­lang an Donau oder Rhein.

Was viel­leicht anders war als beim Durch­schnitt: In sei­ner Fami­lie wurde immer gespen­det. Als Kind erlebte er, wie die Großmut­ter jährlich für ver­schie­dene Anstal­ten sam­melte. »Jede Gabe wurde sorgfältig in ein Büchle ein­ge­tra­gen«, erin­nert er sich. Und obwohl im Krieg auf­ge­wach­sen, »ging es uns nie so schlecht, dass man nicht für andere etwas übrig gehabt hätte.« Das, so ist er sicher, »hat meine Anteil­nahme geweckt für Men­schen, denen es nicht so gut geht.«

Die­ses Mit­gefühl hat ihn nie wie­der ver­las­sen. Sein Leben lang hat er gespen­det – auch, aber nicht nur für die Zieg­ler­schen. Beson­ders nahe geht ihm das Wohl von Kin­dern: »Wenn ich die klei­nen Wesen nur sehe, habe ich ein­fach die größte Freude.« Nach dem Ende sei­nes Berufs­le­bens wuchs in ihm der Wunsch, Kin­der verlässlich und dau­er­haft zu unterstützen. Auch dann, wenn er eines Tages nicht mehr ist. Die Zieg­ler­schen, die ihm regelmäßig Spen­den­auf­rufe schick­ten, lernte er als »ver­trau­enswürdige Ein­rich­tung in der Region« schätzen. Bei der Johan­nes-Zieg­ler-Stif­tung gründete er schließlich den Julius-Fröscher-Fonds.

Damit ist diese Geschichte noch nicht zu Ende. Denn Julius Fröscher, geis­tig top­fit und wie selbst­verständlich per WhatsApp oder Mail in Kon­takt, sorgt dafür, dass sein Fonds Jahr für Jahr wei­ter wächst. »Ich hoffe, dass ich noch lange Rente beziehe«, sagt er fröhlich. »Denn ich brauch nicht so viel. Ich hab zu trin­ken, ich hab zu essen und ich kann ein mit­tel­großes Auto fah­ren. Das reicht. Ein teu­rer SUV oder eine Yacht am Boden­see macht mich nicht glückli­cher.«

Einen Wunsch hat der 88-Jährige aber doch: Er hätte gerne noch wei­tere Stif­ter als Mit­strei­ter. Des­halb ist er auch bereit, als »Lock­vo­gel« zu wir­ken und seine Geschichte öffent­lich zu erzählen. Obwohl er sich, wie er nicht nur ein­mal betont, »nicht dar­stel­len möchte«. Doch das Bedürfnis, deut­lich zu sagen, was er für falsch hält – und vor allem, was für rich­tig –, ist auch hier wie­der stärker. »Das Lächeln, der Blick eines Kin­des, das unterstützt wer­den konnte«, so seine tiefe Über­zeu­gung, »ist der schönste Kapi­tal­er­trag«.