Titelthema
Dezember 2024
Frohe Botschaft
Seit fünfzehn Jahren produzieren die Zieglerschen den Fernsehgottesdienst Stunde des Höchsten. Ein Blick hinter die Kulissen.
Text: Stefan Wieland
Ob im Fernsehen auf Bibel TV oder auf YouTube – seit 15 Jahren spricht der Fernsehgottesdienst Stunde des Höchsten ein treues Publikum an. Vor gut einem Jahr wurde der Staffelstab an ein neues Team übergeben – Grund genug, die Menschen einmal näher vorzustellen, die Woche für Woche die Frohe Botschaft verkünden. Beim Blick hinter die Kulissen beantworten wir auch die Frage: Wie passen eigentlich die Zieglerschen, als diakonisches Sozialunternehmen und ein Fernsehgottesdienst zusammen? Besser als man denkt ... Seien Sie gespannt!
Der Tee ist bereitet und wie jetzt im Winter steht eine Kerze auf dem Tisch. Sonntagabends gegen 18 oder 19 Uhr, je nachdem, wie es in den Tag passt, ist für Elena und Wilfried Lill eine besondere Zeit. Dann schaut das Ehepaar aus dem nordrhein-westfälischen Marienheide die »Stunde des Höchsten« (SdH) auf YouTube – mit dabei Border-Spitz-Mischling Sam, »wenn auch nicht ganz so aufmerksam wie wir«, wirft Wilfried Lill augenzwinkernd ein. »Für die Stunde des Höchsten nehmen wir uns bewusst Zeit«, berichtet Elena Lill. Die 59-Jährige ist aufgrund einer schweren Augenerkrankung stark sehbeeinträchtigt. Daher meidet sie Menschenansammlungen, um sich vor Infektionen zu schützen, die zu einer Verschlechterung führen können. Früher waren beide in einer freikirchlichen Gemeinde aktiv, doch seit Corona ist sie noch vorsichtiger geworden. Da ist der Fernsehgottesdienst der Zieglerschen ein passendes Angebot. Ein Gottesdienst, der zu den Menschen kommt? »Ja, ganz bestimmt«, bekräftigt Elena Lill. »Für mich ist er eine Quelle der Ermutigung. Die Predigten sind aufbauend, lebensnah und stärken das Vertrauen zu Gott.« Deshalb empfiehlt die Transaktionsanalytikerin und Supervisorin mit eigener Praxis die Stunde des Höchsten auch gerne weiter, etwa Menschen, die krank sind und das Haus nicht verlassen können. Und ihr Mann ergänzt: »Auch wer in den Gemeinden vor Ort nicht seinen Platz findet, kann bei Stunde des Höchsten unverbindlich andocken und etwas mitnehmen.« Denn der Gottesdienst zeichne sich nicht nur durch theologische Tiefe aus, sondern auch durch Weite und Aktualität.
Und was wünschen sie sich für die Stunde des Höchsten? »Hin und wieder könnten die Lieder etwas moderner sein«, lacht der 63-Jährige, er verstehe aber, dass es unmöglich sei, jedem Geschmack gerecht zu werden. »Da wir regelmäßig schauen, fühlen wir uns dem Gottesdienst und dem Team sehr nahe«, betont Elena Lill und ihr Mann Wilfried nickt zustimmend. »Wir würden uns wünschen, dass die Zieglerschen die Stunde des Höchsten noch lange fortführen. Die finanziellen Belastungen kann ich nur erahnen«, sagt Lill, der selbst Unternehmer war, 2021 sein gut gehendes Sanitätshaus verkauft hat und nun sein Leben als Privatier genießt und sich gerne ehrenamtlich engagiert.
Ein sonntäglicher Fernsehgottesdienst und ein diakonisches Sozialunternehmen? Wie passt das zusammen? Für Pfarrer Gottfried Heinzmann, den Vorstandsvorsitzenden der Zieglerschen, sehr gut. »Wir Zieglersche verstehen die Stunde des Höchsten als ein diakonisches Angebot. Wir ermöglichen Teilhabe am christlichen Glauben, bauen Barrieren ab und laden Menschen ein, die sonst vergessen werden. Wenn das nicht diakonisch ist! So legen wir auch Wert auf eine Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache (DGS) für Menschen mit einer Hörschädigung«, betont Heinzmann. Folgerichtig für das Unternehmen, bietet es doch mit dem Hör-Sprachzentrum, einem der fünf Hilfefelder, Kitas und Schulen für Kinder und Jugendliche mit Hörbeeinträchtigung an. »Unser Selbstverständnis ist es, mit unserem Gottesdienst über das Medium Fernsehen zu den Menschen zu kommen, sie zum Glauben einzuladen, zu inspirieren und zu ermutigen.« Gerade letzteres sei Diakonie pur – »und natürlich erzählen wir in Predigtbeispielen und Interviews auch gerne über unsere Arbeit. Wer jedoch meint, Stunde des Höchsten sei für uns ein Marketinginstrument und wir würden durch Kunden- oder Fachkräfte-Akquise in hohem Maß davon profitieren, der irrt. Zuallererst entspringt der Einsatz für Stunde des Höchsten unserem diakonischen Auftrag «, ist Heinzmann überzeugt, und gibt zu: »Dies müssen wir immer wieder auch unternehmensintern in Erinnerung rufen, denn immerhin sind wir das einzige Diakonieunternehmen mit einem eigenen Fernsehgottesdienst. Da können wir auch ein wenig stolz drauf sein.«
Seit 15 Jahren gibt es die spendenfinanzierte Stunde des Höchsten. Der erste Gottesdienst wurde 2009 ausgestrahlt – auf Bibel TV, wie heute. Und immer noch wird er in der Kapelle der Zieglerschen auf dem Höchsten produziert, einer 800 Meter hohen Erhebung am Nordufer des Bodensees. Die Kapelle war übrigens auch eine Spende, von Patientinnen und Patienten der Suchthilfe. Mehrmals im Jahr verwandelt sich das schmucke Gotteshaus in ein Fernsehstudio – mit Licht- und Tontechnik sowie jeder Menge Kameras. Bis vor einem Jahr stand Pfarrer Heiko Bräuning vor diesen Kameras. Er hat das Format mit entwickelt und geprägt. Im September 2023, rund 700 Folgen später, folgte die Staffelstabübergabe an ein neues Team.
Einer von ihnen ist Johannes Ehrismann. Referent für Theologie und Ethik bei den Zieglerschen, studierter Theologe und gelernter Zimmermann. Dem 42-Jährigen war durchaus bewusst, dass er in große Fußstapfen treten würde. »Mir war am Anfang schon auch mulmig zumute – aus dem Familien- und Freundeskreis habe ich aber viel Zuspruch und Ermutigung erfahren«, erzählt der Vater von fünf Kindern. Klar, der Wechsel sei nicht reibungslos verlaufen, die ersten Male vor der Kamera »waren schon komisch« und zu Beginn habe es auch Kritik gegeben. Doch die habe mit der Zeit nachgelassen. Heute fühle er sich angekommen – und angenommen. »Im gesamten Team fühle ich mich aufgehoben. Da macht es richtig Spaß, das Wort Gottes zu verkünden, spannende Talkgäste kennenzulernen und deren Glaubensgeschichten zu hören«, begeistert er sich.
Noch immer besticht das Format durch seinen Mix aus Liturgie, geistlicher Musik und Talks. Ist ihm da ein Gast, eine Geschichte besonders hängen geblieben? »Da fällt mir sofort die inzwischen verstorbene Charlotte Kretschmann ein, die mit 113 Jahren damals älteste Frau Deutschlands. Ich bin dankbar, dass ich mit ihr noch über ihre unglaubliche Spanne an Lebenserfahrungen reden konnte«, sagt Ehrismann und erinnert sich an den Dreh im Seniorenzentrum der Zieglerschen in Kirchheim unter Teck. Aber, fügt er hinzu: »Jeder Gast schafft besondere Erinnerungen.« – Und die Zuschauer? Als ehemaliger Jugendreferent der Brüdergemeinde in Wilhelmsdorf hatte er unmittelbaren Kontakt zu seinen Jugendlichen – nun schaut er in die Linse einer Kamera. »Das stimmt«, gibt er zu, »das war und ist gewöhnungsbedürftig. Auf der anderen Seite bekommen wir aber so viele Zuschauerzuschriften, dass ich doch das Gefühl habe, von dem einen oder anderen etwas zu wissen.« Selbstverständlich empfindet er die positiven Rückmeldungen als besonders wohltuend, doch auch konstruktive Kritik ist ihm wichtig. »Wir brauchen diese Rückmeldungen, um uns weiterzuentwickeln. Vieles konnten wir schon umsetzen.«
Bereichernd sei der Austausch mit Maren Hoffmann-Rothe und Daniel Schneider. Während sie seine Co-Moderatorin ist, ist er der Redakteur der Sendung. Beide sind freiberuflich für SdH tätig und nehmen eine Rolle ein, die es zuvor bei der Stunde des Höchsten nicht gab. »Wir wollten mit dem Wechsel die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen«, wirft Gottfried Heinzmann ein. »Weg vom reinen Anchorman-Format, hin zu einem Teammodell. Ich bin überzeugt, dass es dem Gottesdienst guttut, wie wir uns mit unseren Gaben und Charakteren ergänzen.«
Maren Hoffmann-Rothe ist Moderatorin, freie Rednerin und Mediatorin, lebt mit ihrer Familie in Wetzlar und findet ihren Ausgleich beim Joggen, Lesen, Nähen und Tanzen. Die 49-Jährige hat bei ERF Medien e.V., einem christlichen Medienunternehmen, gearbeitet und dürfte regelmäßigen Bibel-TV-Zuschauern schon von einigen Formaten des Senders bekannt gewesen sein. Hat sie SdH und die Zieglerschen vorher gekannt? »Nein, tatsächlich nicht«, gibt die Theologin zu. Dennoch habe sie die Anfrage berührt und gefreut, erinnert sie sich. Natürlich hat sie sich Sendungen in der Mediathek angeschaut und kam schnell zu dem Schluss: »Das ist etwas für mich.« Und was reizt sie an dem Format? »Mir gefällt die Vielseitigkeit. Die Mischung aus Moderation, Talk, Liturgie und Predigt – und alles mit geistlicher Tiefe. In dieser Form ist der Gottesdienst einzigartig in der Fernsehlandschaft«, erklärt die Mutter von drei Söhnen, die für die Aufzeichnungen gerne an den Bodensee reist. »Ich freue mich jedes Mal auf die Produktionstage. Für mich ist es selbst bereichernd, mit diesem tollen Team Gottesdienste zu gestalten, die Herzen berühren und einen bleibenden Eindruck hinterlassen«, betont Hoffmann-
Rothe. Dass dies der Fall ist, habe sie beim letzten Zuschauertag im Mai 2024 gespürt und spricht von herzerwärmenden Begegnungen. »Der Zuschauertag klingt noch lange nach«, resümiert sie. »Vor allem die ermutigenden Gespräche mit unseren Zuschauerinnen und Zuschauern bleiben in Erinnerung und beflügeln uns regelrecht.«
Dem kann auch Daniel Schneider zustimmen. Gemeinsam ist er vor einem Jahr mit Maren Hoffmann-Rothe zur Stunde des Höchsten gestoßen – als Redakteur. Der 45-jährige Journalist aus Bad Oeynhausen ist selbst Theologe, hat unter anderem an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal studiert und arbeitet freiberuflich für den Westdeutschen Rundfunk. Als Redakteur ist er für die Zuschauer unsichtbar. Und doch spüren sie seine Handschrift. Er konzipiert die wöchentlichen Gottesdienste und bei ihm laufen bis zur Abnahme die Fäden zusammen. Eine schöne Aufgabe, findet der begeisterte Freizeitkicker. Die besondere Herausforderung sei es, jeden mitzunehmen: »Der Gottesdienst muss so gestaltet sein, dass sich auch Menschen, die keinerlei Gottesdiensterfahrung haben, wohlfühlen.«
Dazu gehören eine verständliche Sprache und interessante Elemente wie der Talk, »bei dem es im wahrsten Sinne des Wortes um Gott und die Welt geht«, betont Schneider. Hierfür achtet er auf Gäste, die zum Beispiel ihre eigene Glaubensgeschichte begeisternd erzählen können. Zugleich sorgten die immer wiederkehrenden Elemente der Liturgie für eine ausgeglichene Dramaturgie: bekannte Gebete, Lieder, Bibellesungen und die Predigt. »Die sind unseren regelmäßigen Zuschauerinnen und Zuschauern vertraut und sorgen dafür, dass sie zur Ruhe kommen und sich wohlfühlen. « Und bestenfalls die zentrale Botschaft von der Stunde des Höchsten mitnehmen. Nämlich die des ersten Leitbildsatzes der Zieglerschen: Gott liebt jeden Menschen vorbehaltlos. Diese Gewissheit leitet uns in unserer täglichen Arbeit. »Diese Gewissheit durch unsere Gottesdienste weiterzugeben, ist für mich die zentrale Daseinsberechtigung der Stunde des Höchsten«, so der Theologe.
Zurück zu Elena und Wilfried Lill aus Marienheide. Der Abspann von Stunde des Höchsten ist zu Ende, Hund Sam liegt friedlich zu ihren Füßen. Ein letzter Schluck Tee ist in der Kanne. »Wenn der Gottesdienst vorüber ist, werden wir oft still und lassen das Gehörte auf uns wirken. Manchmal, wenn uns ein Gedanke aus der Predigt besonders angesprochen hat, kommen wir darüber auch ins Gespräch und nehmen ihn mit in die Woche«, so Wilfried Lill. Diese kann nun beginnen.
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Kamera ab! Das Team von Stunde des Höchsten in Aktion: Gottfried Heinzmann, Maren Hoffmann-Rothe und Johannes Ehrismann (v.l.)
Die Übersetzung in Gebärden ist Stunde des Höchsten ein wichtiges Anliegen. Diese Gebärde zeigt ein leidenschaftliches »Danke, Gott!«
Kameras, Licht- und Tontechnik: Für den TV-Gottesdienst wird die Kapelle auf dem Höchsten zum Fernsehstudio.