»Der Glaube ist eine Kraft, die
Angst vorm Sterben nimmt«

Brigitte Seeland

Interview

»Der Glaube ist eine Kraft, die Angst vorm Sterben nimmt«

Brigitte Seeland

Interview

März 2017

Brigitte Seeland und Monika Rothermundt begleiten in der Hospizgruppe Wilhelmsdorf Menschen und ihre Angehörigen auf dem letzten Weg. Wie ist das ganz praktisch? Macht es nicht manchmal auch ratlos? Und kann man Menschen die Angst vorm Sterben nehmen?

Text: Anna-Vanessa Möhrle

Frau See­land und Frau Rother­mundt, Sie beglei­ten in der Hospi­z­gruppe Wil­helms­dorf Ster­bende und deren Angehörige. Wie muss man sich das vor­stel­len?

Bri­gitte See­land: Es ist so: Wenn jemand Bedarf hat, wer­den wir ange­ru­fen und dann geht man zu einem soge­nann­ten Erst­ge­spräch. Dann schaut man sich an: Wie geht es dem Ster­ben­den, ver­schafft sich ein Bild. Ansch­ließend fragt man die Angehörigen und den Ster­ben­den (soweit er noch fähig ist zu spre­chen) was an Bedarf da ist. Meis­tens, wenn’s eine inten­sive Pflege ist, brau­chen die Angehörigen ein­fach mal Zeit weg­zu­ge­hen, um bei­spiels­weise mal ein­kau­fen zu können. Dann sind wir da und unterstützen die Angehörigen dabei.

Monika Rother­mundt: Im Pfle­ge­heim tre­ten die Angehörigen oft kaum in Erschei­nung. Viele Men­schen dort haben oft keine Angehörigen mehr oder sie woh­nen ziem­lich weit weg. Viele Ster­bende sind daher sehr dank­bar, dass wir für sie da sind. Im Pfle­ge­heim ist es somit eher eine Unterstützung der Pfle­gekräfte, die auch nicht ständig da sein können. Oft sind wir abends da, bis in die Nacht hin­ein.

Kann man Men­schen die Angst vorm Ster­ben neh­men?

Bri­gitte See­land: Ich hatte mal einen Fall, da wollte die Ster­bende Volks­lie­der hören. Da habe ich »Horch was kommt von draußen rein« gesun­gen und sie konnte beru­higt und fried­lich gehen. Der Glaube spielt oft eine große Rolle. Wenn der Ster­bende oder die Angehörigen möchten, dass gebe­tet wird, kirch­li­che Lie­der gesun­gen wer­den oder wir einen Psalm vor­le­sen sol­len, tun wir das. Vie­len Men­schen nimmt das die Angst und spen­det Trost. Der Glaube ist eine Kraft, die die Angst nimmt – zumin­dest für kurze Zeit.

Monika Rother­mund: Nein, aber wir können zeit­weise etwas lösen, indem wir mit Gesang, Instru­men­ten oder Hand­hal­ten den Men­schen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind. Beim letz­ten Schritt ist aber jeder auf sich gestellt. Jeder Ster­bende möchte anders gehen.

Macht das manch­mal nicht auch rat­los?

Bri­gitte See­land: Rat­los ist das falsche Wort. Es macht eher ohnmächtig, demütig: Was muss die­ser Mensch alles aus­hal­ten, das ganze Gesche­hen, die Ehr­furcht, was kommt noch in den let­zen Stun­den? Was fra­gen die meis­ten Angehörigen?

Bri­gitte See­land: Wie lange dau­ert es noch? Mache ich alles rich­tig? Was soll ich tun? Das sind typi­sche Fra­gen. Lei­der ist es schwie­rig für uns, dar­auf eine Ant­wort zu geben oder daran anzuknüpfen. Wir über­le­gen dann meis­tens mit­ein­an­der, wie wir dem Ster­ben­den noch schöne letzte Tage berei­ten können.

Gibt es auch posi­tive Erleb­nisse in Ihrer Arbeit?

Monika Rother­mund: Ja, wenn wir spüren, dass die Men­schen froh sind, dass wir für sie da sind. Und die Freude der Angehörigen, wenn sie auch mal los­las­sen können.

Und was sind Dinge, die Ihnen schwer­fal­len?

Bri­gitte See­land: Es tut oft sehr weh, jeman­den in sei­nem Bett lie­gen zu sehen, zu sehen, wie er mit sei­nem Leben ringt. Wir können dann »nur« da sein und ver­su­chen, es mit irgend­wel­chen Hilfs­mit­teln zu erleich­tern. Aber im Grunde steht man ein­fach macht­los dane­ben. Das fällt schwer.

Herz­li­chen Dank für das Gespräch!