Hilfe, ich hab Angst – wie gelingt ein guter Start?

Expertentipp

Hilfe, ich hab Angst – wie gelingt ein guter Start?

Expertentipp

Dezember 2020

Stefanie Maier, Psychologin und Therapeutin in unserer Suchthilfe, über Ängste, vernünftige Wachsamkeit, Fettnäpfchen und die Chance, einen misslungenen ersten Eindruck auch wieder aufzufangen ...

Text: Annette Scherer

Frau Maier, Sie sind Exper­tin auf dem Gebiet der Sucht­hilfe. Wel­che Rolle spielt der erste Tag einer Pati­en­tin für die wei­tere The­ra­pie?
Der erste Ein­druck ist wich­tig. Wenn unsere Pati­en­tin­nen wahr­neh­men, dass wir uns die Zeit für sie neh­men, die sie brau­chen, ist das für den wei­te­ren Ver­lauf der The­ra­pie sehr posi­tiv. Sich vom ers­ten Tag an wert­geschätzt zu fühlen, kann ent­schei­dend dafür sein, dass man über­haupt Lust hat, zu blei­ben und Wur­zeln zu schla­gen. Bei uns wer­den neue Pati­en­tin­nen von the­ra­pieälte­ren Pati­en­tin­nen in Empfang genom­men. Sie tref­fen bei ihrem Erst­kon­takt also nicht nur auf Per­so­nal und Ange­stellte, son­dern auf andere Betrof­fene, die in der­sel­ben Situa­tion ste­cken und bereits erste Erfah­run­gen hin­ter sich haben. Das wird von vie­len Pati­en­tin­nen als sehr hilf­reich emp­fun­den und gewürdigt. Jede Pati­en­tin bekommt außerdem zum Start in unse­rer Kli­nik ein selbst gemach­tes »Son­nen­schein­buch« für alle schönen Eindrücke, die sie während der kom­men­den Zeit wahr­nimmt.

Nicht nur Pati­en­tin­nen ken­nen das Gefühl: neue Auf­ga­ben, neue Leute &hel­lip; Hilfe, ich hab‘ Angst! Haben Sie Tipps gegen die Ängste vor dem ers­ten Tag?
Ist das denn schädlich, sich mit großer Wach­sam­keit in eine neue Situa­tion zu bege­ben? Die Frage ist, wann aus vernünfti­ger Wach­sam­keit kri­ti­sche Angst wird. Was uns Angst macht, ist oft, dass wir hilf­los wer­den oder auf Men­schen stoßen, die uns gegenüber nicht wohl­wol­lend sind oder dass wir nicht gegen­hal­ten können. Hier hilft es, einen Moment inne­zu­hal­ten und sich etwa zu über­le­gen, ob das Gegenüber viel­leicht auch Angst haben könnte. Jeder hat sein Päckchen zu tra­gen. Das kann sehr entängs­ti­gend wir­ken.

Was können Führungskräfte oder Kol­le­gen für einen guten Start tun?
Brauch­bare und gute Infos, die in einer möglichst nicht hek­ti­schen Atmo­sphäre ver­mit­telt wer­den, schaf­fen Sicher­heit. Und wenn beim Ein­ar­bei­ten klar wird, dass Abläufe so nicht pas­sen, dass interne Pro­zesse nicht gut orga­ni­siert sind, sollte man neue Mit­ar­bei­ter damit nicht alleine las­sen. Nicht zu unterschätzen sind natürlich auch ganz prak­ti­sche Tipps: Wo steht die Kaf­fee­ma­schine und wo finde ich das Was­ser?

Tipp

Am ersten Tag sollte man vermeiden, mit der Tür ins Haus zu fallen und Grenzen anderer zu übertreten. Hat man das Gefühl, trotzdem in ein Fettnäpfchen getreten zu sein, sollte man sich trauen, es offen auszusprechen. Auch misslungene Starts können meist noch aufgefangen werden. Man sollte nicht gleich aufgeben.