Menschen in den Zieglerschen
september 2024

Anton*

Patient Suchtklinik Ringgenhof

Ich denke, ich bin auf einem guten Weg.

Er ist schlank, sportlich und sehr sympathisch. Seine Mitmenschen mögen ihn. Er macht viel Sport, Fußball und Leitathletik, ist auch Fußballtrainer. „Ich war schon immer akzeptiert und respektiert und hatte viele Bekannte“, erzählt er. Seine Ausbildung als Industriemechaniker hat er als einer der Besten in Baden-Württemberg mit einem Durchschnitt von 1.0 absolviert. Und auch den anschließenden Techniker sowie das Ingenieurstudium mit Bravour gemeistert. Er hat einen tollen Job im Konstruktionsbereich eines mittelständischen Anlagenbauers, ist beruflich weltweit unterwegs. Auch privat lief es in letzter Zeit ziemlich gut. Nach seiner gescheiterten Ehe hat er eine neue Lebensgefährtin gefunden, mit der er sehr glücklich ist und ein gemeinsames Kind hat. 

Dass Anton (Name zum Schutz des Patienten geändert) schon seit vielen Jahren suchtkrank ist, ahnen nur wenige Menschen in seinem Umfeld. Alkohol und Drogen gab es bei dem aus Russland stammenden 40-Jährigen schon fast sein ganzes Leben lang. Bereits mit 12 hat er seine ersten Alkoholerfahrungen mit Bier gemacht. Damals noch in Russland. Als er 14 ist, zieht seine Familie nach Deutschland. Da kam zum Bier dann auch noch Wodka dazu. Mehrfach zieht die Familie um. Immer wieder muss er sich neue Freunde suchen und sich gegen Vorurteile zur Wehr setzen. „Das war echt hart für mich. In Russland war ich der ‚Scheiß-Nazi‘ und in Deutschland immer wieder der ‚Scheiß-Russe‘“, erinnert er sich. Mit 16 konsumiert er täglich Marihuana. Knapp über 20 kommt noch Kokain hinzu. Die Drogen konsumiert er anfangs vor allem auf Partys mit Freunden. „Ich war leistungsfähiger, konnte abschalten, hatte mehr Spaß und eigentlich immer Lust auf mehr“, erzählt er.

Pro Tag eine Kiste Bier plus Drogen wurde Standard für ihn. Doch irgendwann bringen ihn Drogen und Alkohol trotz starker Erhöhung der täglichen Dosis nicht mehr zum erhofften Ziel. Er kann sich nicht mehr konzentrieren, macht Fehler bei der Arbeit, ist leicht reizbar, kapselt sich ab, wird depressiv, hat Suizidgedanken. „Zu der Zeit war ich am Boden zerstört. Ich hatte heftige Streitereien mit meiner Exfrau, die sich nach der Geburt unserer Tochter sehr stark verändert hatte, oft sehr aggressiv war und in ihrem Umfeld sehr schlecht über mich geredet hat.“

Seine Freundin erkennt die Symptome und auch, dass die Situation für ihren Partner sehr gefährlich werden kann. Sie versucht, ihn zu einem Entzug zu überreden. Doch nichts verändert sich. Später stellt sie ihm ein Ultimatum: Entweder Entzug oder die Beziehung ist beendet. Parallel kommt auch seine Familie vorbei und vor allem seine Schwester motiviert ihn, sein Suchtproblem offensiv anzugehen.

Er entscheidet sich für seine Familie und startet einen Entzug. „Das war gar nicht so schlimm wie befürchtet“, erinnert er sich. Nach der Entgiftung bekommt er einen Platz in der Fachklinik Ringgenhof in Wilhelmsdorf, eine Rehaklinik der Zieglerschen für suchtkranke Männer. Das ist jetzt 14 Wochen her.

Dankbar schaut er heute auf diese Zeit zurück: „Ich habe hier wieder angefangen, Sport zu treiben: Fitness, Laufen, Volleyball und alles, was Spaß macht. Die sportlichen Angebote in der Fachklinik Ringgenhof sind super und tun mir sehr gut!“

Zu den Mitpatienten hat er guten Kontakt und erzählt stolz von seinen 8 „Patensöhnen“, die er seit seiner Ankunft betreut hat. In der Fachklinik Ringgenhof ist es Tradition, dass die Neuankömmlinge von den älteren Patienten betreut werden. „Wenn neue Patienten hier ankommen, ist es wichtig, dass sie sich sicher fühlen und keine Angst haben. Das gilt vor allem für die ersten Tage der Reha. Sonst ist die Gefahr groß, dass sie ihre Reha gleich wieder abbrechen,“ weiß Anton.

Mit Unterstützung seiner Therapeutin hat er begonnen, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und die tieferliegenden Ursachen seiner Sucht zu erkennen. Einiges ist ihm schon klar geworden.

„Ich habe hier gelernt, über meine Probleme zu reden und fresse nicht mehr alles in mich hinein. Schritt für Schritt lerne ich auch, nein zu sagen.“

Seit letzter Woche hat Anton das Gefühl, „wieder klarer im Kopf“ zu sein. Darüber ist er sehr froh und dankbar. Sein größter Wunsch für seine Zeit nach der Reha ist es, auch ohne Drogen mental stabil zu bleiben und das Leben mit seiner Familie zu genießen.

 „Ich denke, ich bin auf einem guten Weg“, sagt er.


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