»In privaten Archiven könnte noch manche Überraschung warten«

Prof. Dr. Hermann Ehmer

Interview

»In privaten Archiven könnte noch manche Überraschung warten«

Prof. Dr. Hermann Ehmer

Interview

März 2024

Hermann Ehmer, langjähriger Direktor des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart, gilt als profunder Kenner der württembergischen Kirschengeschichte. 2022 veröffentlichte er eine neue Biografie über Johannes Ziegler.

Text: Petra Hennicke

Pro­fes­sor Ehmer, Sie haben viele Bücher zu ver­schie­de­nen The­men geschrie­ben, aber nur zwei Bio­gra­fien. Eine davon über Johan­nes Zieg­ler. Woher kommt Ihr Inter­esse an Zieg­ler und an Wil­helms­dorf?
Schon als Kind habe ich ein Buch gele­sen: »Peter Zieg­ler – ein Kauf­mann nach dem Her­zen Got­tes«. Ich war hung­rig nach Anre­gung und habe alles ver­schlun­gen, was mir im Eltern­haus in die Hände fiel – auch die Lebens­ge­schichte von Peter Zieg­ler. Er war der jüngere Bru­der von Johan­nes Zieg­ler und hatte am Saal­platz ein Kauf­haus. So war mir der Ort schon als Achtjähri­ger ein Begriff. Jahre später hat mein Sohn in Wil­helms­dorf eine Aus­bil­dung zum Arbeits­er­zie­her gemacht und wir haben ihn dort besucht. Da schloss sich ein Kreis.

2006 hiel­ten Sie den ers­ten Vor­trag in Wil­helms­dorf, 2022 erschien Ihr Buch über Johan­nes Zieg­ler. Gab es in der Zwi­schen­zeit neue Erkennt­nisse?
Eher nicht. Johan­nes Zieg­lers Nach­lass ist ja ver­schwun­den, lei­der. Auch Briefe, Schrei­ben, seine Per­so­nal­akte – Doku­mente, aus denen in der Bio­gra­fie »Direk­tor Zieg­ler – ein Erzie­her von Got­tes Gna­den« von 1910 noch zitiert wird. Man­ches wurde im 2. Welt­krieg ver­nich­tet, ande­res ver­mut­lich ein­fach ent­sorgt. Daher sind wir auf Bücher von Zieg­ler selbst ange­wie­sen, die er zum Glück reich­lich ver­fasst hat, etwa »Wil­helms­dorf – ein Königs­kind« oder die »Grünen Blätter« aus dem Kna­ben­in­sti­tut.

Vor 20 Jah­ren haben die Zieg­ler­schen ihre Akten ans Lan­des­kirch­li­che Archiv über­ge­ben. Ist aus die­sem Bestand – auch im Zuge fort­schrei­ten­der Digi­ta­li­sie­rung – noch mit neuen Erkennt­nis­sen zu rech­nen?
Die Aktenüber­gabe der Zieg­ler­schen war damals ein großer Ver­trau­ens­be­weis. Vor allem, weil Korn­tal und Wil­helms­dorf Wert auf ihre Unabhängig­keit von der Lan­des­kir­che legen. Mein Nach­fol­ger hat danach viele wei­tere dia­ko­ni­sche Archi­va­lien ins Haus geholt, immer mehr Bestände wer­den digi­ta­li­siert. Den­noch rechne ich nicht damit, dass wir dort viel Neues erfah­ren. Um echte Schätze zu ent­de­cken, müssten wir ganz neue Quel­len erschließen, etwa Zei­tun­gen oder pri­vate Nachlässe. Hier könnten tatsächlich noch Über­ra­schun­gen auf uns war­ten.

Tipp

Wer mehr über Johannes Ziegler erfahren will, kann Hermann Ehmers Vortrag im Rahmen der Feierlichkeiten zu 200 Jahre Wilhelmsdorf besuchen. Der Autor spricht am 23. April 2024 im Wilhelmsdorfer Betsaal. Beginn ist 19 Uhr, eine Anmeldung ist nicht vonnöten. Der Einritt ist frei.