
Eine offene Heilstätte für Suchtkranke: die neue Ringgenhof-Klinik gilt als vorbildlich
1962
Eine neue Ära in der Suchthilfearbeit: Neubau der Ringgenhof-Klinik
Die Suchthilfearbeit in der Haslachmühle steht Anfang der 1960er an einem Wendepunkt. Der Zustand der Gebäude ist schlecht, für eine Grundsanierung fehlt das Geld. 1962 wird Dr. Eberhard Rieth zum neuen Direktor der Heilstätten ernannt. Für ihn ist klar: »Wir bauen neu«. Mit dem Land Baden-Württemberg und dem Gesundheitsministerium in Bonn gewinnt Rieth zwei entscheidende Unterstützer, die die Finanzierung des Baus sicherstellen. Voraussetzung dafür ist, dass die neue Einrichtung eine bundesweite Modelleinrichtung für die stationäre Suchtkrankenhilfe wird.
So beginnt eine neue Ära in der Suchthilfearbeit. Am 15. Juli 1964 beginnen in Wilhelmsdorf die Bauarbeiten, parallel arbeitet Rieth an einer fachlichen Modernisierung. Ein neuer Geist soll im neuen Haus einziehen – mit neuen Therapie-Konzepten und mit einem neuen Team. Der Psychologe setzt auf eine »Persönlichkeitstherapie«. Er ist überzeugt, dass nur »eine stabilisierte, gereifte Persönlichkeit die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern vermag.« Arbeitstherapie und Sport sowie die tägliche Andacht und das Angebot seelsorgerlicher Gespräche gehören ebenfalls zum neuen Konzept. In unzähligen Gesprächen, Schulungen und Weiterbildungen nimmt Rieth seine Mitarbeiter mit in die neue Zeit. Alkoholabstinenz auch für die Mitarbeiter ist in der Klinik selbstverständlich.
Am 5./6. Mai 1966 soweit: Patienten und Team ziehen nach Wilhelmsdorf um. Einen Monat später wird das »Kurhaus Ringgenhof« offiziell eingeweiht – ein klares, offenes und architektonisch bemerkenswertes Gebäude. Eine Mustereinrichtung für Suchtkranke, die damals als vorbildlich gilt – in der noch heute suchtkranke Männer auf dem Weg in ein neues Leben begleitet werden.

Dr. Eberhard Rieth: Zahnarzt, Psychologe und Pionier der modernen Suchtkrankenhilfe
Als Dr. Eberhard Rieth am 1. Januar 1960 seinen Dienst in der »Trinkerheilanstalt Haslachmühle« antritt, kann er nicht ahnen, dass er in die Geschichte der Suchtkrankenarbeit eingehen wird. Rieth, 1925 in Blaubeuren geboren, wächst in Stuttgart auf. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft studiert er Zahnmedizin und Psychologie. 1953 erhält er die Approbation als Zahnarzt, 1959 legt er die Diplomprüfung als Psychologe ab. Ebenfalls 1959 promoviert er mit einer Arbeit über die Angst von Kindern und Jugendlichen in der zahnärztlichen Praxis. Schon während des Studiums hat er sich mit Alkoholismus befasst. Als der 34-Jährige, ein überzeugter Christ, seine Tätigkeit in der Haslachmühle antritt, sieht er darin einen Auftrag, bei dem er auf Führung und Unterstützung durch Gott rechnet. Nur gut zwei Jahre später wird er zum Direktor der Trinker-Heilstätten ernannt. Rieth führt die Suchthilfe fachlich wie organisatorisch in eine neue Ära – und er führt sie fast 30 Jahre lang, von 1962–1988, mit großem Erfolg. Heute gilt Eberhard Rieth als einer der Pioniere der modernen deutschen Suchtkrankenhilfe.