1939

Nazizeit und Kriegsjahre: Schulschließung und drangvolle Enge

Der nationalsozialistische Staat greift massiv in die Arbeit ein. Ende März 1939 muss das »Knabeninstitut KI« auf Anweisung des NS-Kultusminsteriums geschlossen werden. Es sei »mit dem Grundgedanken der Erziehung des nationalsozialistischen Staates nicht in Einklang zu bringen«. Die »Taubstummenanstalt« bleibt jedoch geöffnet und wird von Hausvater Heinrich Hermann geleitet. Im Laufe des Krieges werden zunehmend hörende Kinder aufgenommen. 1939 ist das Haus mit 158 Pfleglingen belegt - das Haus kommt am Rande seiner Aufnahmekapazität an.
Auch die Arbeit mit alkoholkranken Menschen im Zieglerstift Haslachmühle ist nicht im ideologischen Interesse des Staates, kommt jedoch nie ganz zum Erliegen. Eine Zweckentfremdung wird vermieden, indem neue Personengruppen aufgenommen werden: Erholungsbedürftige (vor allem Mütter), Evakuierte und Flüchtlinge sowie die Bewohner des ev. Altersheims Pirmasens. Auch in der Haslachmühle herrscht drangvolle Enge. Wie schon im Ersten Weltkrieg werden viele Arbeitskräfte eingezogen. Bemerkbar machte sich dies vor allem in der umfangreichen Landwirtschaft. Das Zieglerstift beschäftigt sechs Zwangsarbeiter, davon vier russische Kriegsgefangene.

Heinrich Hermann: Ein aufrichtiger Christ in Wort und Tat

Heinrich Hermann (1878–1961) wird am 2. August 1878 in der Schweiz geboren. Er geht während seiner Jugend im Knabeninstitut (KI) in Wilhelmsdorf zur Schule und absolviert später seine Diakonen-Ausbildung an der streng-pietistischen Pilgermission St. Chrischona bei Basel. Getreuliche Pflichterfüllung als christlicher Lebensauftrag und komplette Verinnerlichung von Bibel und göttlichen Geboten waren wichtige Bestandteile der Lehrzeit in St. Chrischona. Dies gibt ihm für sein späteres Leben und Handeln Halt und Orientierung. Erfahrung auf dem Gebiet der Arbeit in einer großen Heil- und Pflegeanstalt sammelt er in Stetten im Remstal, wo er fast zehn Jahre lang Hausvater ist. Nach dem Tod seiner geliebten Frau verlässt er Stetten und geht nach Wilhelmsdorf. Hier – wo er selbst zur Schule ging – übernimmt er 1936 die Hausvaterposition an Taubstummenanstalt und Knabeninstitut (KI). Er bleibt dieser Aufgabe bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1947 treu und ist mit seiner besonnenen, freundlichen Art tatsächlich wie ein Vater für die vielen Kinder und Pfleglinge. Treu bleibt er bis zu seinem Lebensende auch Wilhelmsdorf, wo im Jahr 1961 verstirbt.