Vom Lausbub
zum Olympiasieger

Porträt

Vom Lausbub zum Olympiasieger

Porträt

April 2016

Kommt Ihnen der junge Mann auf dem Foto bekannt vor? Gut möglich. Denn Dennis Kutzner war Kapitän jener deutschen Unified-Volleyballer, die im letzten Jahr als Olympiasieger (!) aus den USA zurückkehrten. Außerdem war er Mitglied der Mühlezeitung und somit eines der Gesichter für die berühmten Fussballgebärden aus der Haslachmühle. Das Porträt.

Text: Annette Scherer

Seit Sep­tem­ber ist Den­nis Kutz­ner Mit­ar­bei­ter im Café Stäbler in Wil­helms­dorf. Ein Job, den er sich selbst aus­ge­sucht hat. Grund genug, den sym­pa­thi­schen 21-Jähri­gen ein­mal näher vor­zu­stel­len.

Dass Den­nis Kutz­ner jetzt an dem Arbeits­platz arbei­ten kann, den er sich sel­ber aus­ge­sucht hat, macht ihn schon ein wenig stolz. Denn dass er sich so gut ent­wi­ckeln würde, hätten ihm bei sei­nem Start in der Has­lachmühle nur sehr wenige zuge­traut.

Den­nis kam als 5-Jähri­ger in die Has­lachmühle – ein fröhli­cher Junge mit spitzbübischem Grin­sen, der Schwie­rig­kei­ten mit der Laut­spra­che und anfangs gehörigen Respekt vor den ande­ren Kin­dern und Betreu­ern hatte. »Ich war ein rich­ti­ger Schis­ser«, erin­nert er sich. Und auch daran, wie die ande­ren Kin­der ihn immer wie­der zum Spie­len abge­holt haben. Das hat ihm das Ein­le­ben sehr erleich­tert. »Ich habe mich in der Has­lachmühle wohl gefühlt«, blickt er zurück.

Auch Bernd Eisen­hardt, Direk­tor der Has­lachmühle, erin­nert sich: »Ein rich­ti­ger Laus­bub war der. Hat rebel­liert, die Regeln nicht ein­ge­hal­ten und uns immer wie­der zur Weißglut gebracht.«

In der Has­lachmühle lernt Den­nis, sich sowohl mit Gebärden als auch mit­tels Laut­spra­che aus­zudrücken. Bald fällt sei­nen Leh­rern auf, dass er sehr hilfs­be­reit ist und gerne Kon­takt zu Men­schen außerhalb der Has­lachmühle hat. Ein paar Jahre besucht er die Außenklasse Ill­men­see. Ab dem 8. Schul­jahr ist Den­nis wie­der in der Has­lachmühle. »Dort hat er die vielfälti­gen Möglich­kei­ten genutzt, die wir ihm in die­sem geschützten Umfeld bie­ten konn­ten«, erzählt Eisen­hardt. »Wir ver­su­chen hier, jedem Schüler auf der Ebene, die er errei­chen kann, ein Ange­bot zu machen. Jeder soll auch emo­tio­nal und sozial gefördert wer­den und erfah­ren: Ich kann was, ich bin wert­voll, ich kann ein aner­kann­tes Mit­glied einer Gemein­schaft sein.« Dies gelte vor allem für den Großteil der
Schüler, der auf­grund der Schwere der Behin­de­rung nicht wie Den­nis in der Lage ist, eine sol­che »Kar­riere« zu machen.

Den­nis war Redak­teur bei der mehr­fach preis­gekrönten Mühle­zei­tung und außerdem in der Schüler­firma Lecker­schme­cker aktiv. Hier wur­den seine haus­wirt­schaft­li­chen Bega­bun­gen erkannt und er hat neben dem Kochen auch noch einige orga­ni­sa­to­ri­sche Dinge gelernt.

Aus­po­wern konnte sich Den­nis regelmäßig im Sport. Denn Bewe­gung steht in der Has­lachmühle jeden Tag eine Stunde lang auf dem Stun­den­plan. Tram­po­lin, Spie­len in Grup­pen, Schwim­men, Fußball, Klet­tern, Rei­ten&hel­lip; Die Ange­bot­spa­lette ist außeror­dent­lich vielfältig.

»Im Sport erfah­ren unsere Schüler, dass sie viel erfah­ren und erle­ben können, wenn sie sich auf Neues ein­las­sen«, erklärt Michael Stäbler, Fach­leh­rer an der Has­lachmühle und Sport­be­treuer in der TSG Wil­helms­dorf, wo Den­nis Vol­ley­ball und Fußball spielt. »Auch Den­nis hat gelernt, Verant­wor­tung für sich und andere zu über­neh­men. Dadurch hat er an Selbst­ver­trauen gewon­nen.« Mit der Gold­me­daille 2015 bei Spe­cial Olym­pics in Los Ange­les dürfte die­ses Selbst­ver­trauen noch größer gewor­den sein.

Seit Sep­tem­ber 2015 hat der 21-Jährige sei­nen Traum­job gefun­den – zunächst für zwei Jahre und drei Monate im Rah­men der Berufs­bil­dungs­phase. Er arbei­tet im Café Stäbler in Wil­helms­dorf. Immer wie­der hat er dort ange­fragt, hat Eigenini­tia­tive gezeigt und die Inha­be­rin Patri­cia Stäbler damit beein­druckt. Noch während sei­ner Schul­zeit macht Den­nis ein zweiwöchi­ges Prak­ti­kum und ist begeis­tert: »Seit dem Prak­ti­kum ist mein Herz bei denen. Ich würde am liebs­ten immer bei denen arbei­ten.« Dass er jetzt an drei Tagen pro Woche mor­gens schon um 4.30 Uhr auf­ste­hen muss, weil seine Arbeit bereits um 6.00 Uhr beginnt, stört ihn nicht.

Patri­cia Stäbler, die früher übri­gens eben­falls in der Has­lachmühle gear­bei­tet hat, lobt ihren neuen Mit­ar­bei­ter: »Den­nis ist pünkt­lich, immer gut drauf, verlässlich und weiß, wor­auf wir Wert legen. Er gehört ganz selbst­verständlich dazu und berei­chert das Team mit sei­ner fröhli­chen und unkom­pli­zier­ten Art. Er hat sein eige­nes Tempo und das ist in Ord­nung«, sagt sie. »Wir sind alle All­roun­der hier – jeder macht alles«, erklärt Patri­cia Stäbler zur Arbeits­ver­tei­lung im Café. Schritt für Schritt lerne Den­nis neue Sachen dazu und erwei­tere sei­nen Zuständig­keits­be­reich. »Er weiß, wie der Laden läuft und wir bie­ten ihm hier einen geschützten Rah­men.« Wenn Patri­cia Stäbler über Den­nis spricht, merkt man, dass das keine reine Geschäfts­be­zie­hung ist. Der junge Mann liegt ihr am Her­zen und es ist ihr ein Anlie­gen, seine Fähig­kei­ten zu unterstützen – auch außerhalb des Geschäfts. Momen­tan lernt er von ihr, seine Hem­den zu bügeln.

Noch steht nicht fest, wie es danach für Den­nis wei­ter­geht. Aber wir sind guter Dinge, dass der junge Mann sei­nen Weg fin­den wird. Ehr­geiz, Durch­hal­te­vermögen und Verlässlich­keit hat er ja bereits unter Beweis gestellt. Und das sind gute Grund­la­gen für sei­nen wei­te­ren Lebens­weg.

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