»Jetzt freu ich mich auf meine Freiheit«

Porträt

»Jetzt freu ich mich auf meine Freiheit«

Dr. Christoph Miller

Porträt

April 2022

»Kirchheim hat mir viel gegeben und ich will etwas zurückgeben.« »Ich will denen eine Stimme geben, die keine haben.« »Ich will den Finger da heben, wo es notwendig ist.« Diese Sätze stammen von Dr. Christoph Miller, 74 Jahre, Apotheker, langjähriger Vorsitzender des Freundeskreises Henriettenstift, Gemeinderat, Vater, Ehemann und Hundebesitzer. Nun will er Kürzertreten ... aber von vorne. Das Porträt.

Text: Nicola Philipp

Chri­stoph Mil­ler erblickt 1947 als Haus­ge­burt in der Adler-Apo­theke Kirch­heim das Licht der Welt. Seine Mut­ter hatte die Apo­theke von ihrem Vater über­nom­men, zu die­ser Zeit eine außergewöhnli­che Kon­stel­la­tion. Doch sie ent­stammt einer Apo­the­ker­fa­mi­lie seit 1853 und ist auch mit einem Apo­the­ker ver­hei­ra­tet. Die Eltern zie­hen als Selbstständige 5 Kin­der groß. Chri­stoph ist der Zweitälteste. Die Eltern arbei­ten viel, die Geschwis­ter sind oft auf sich allein gestellt, die Oma verwöhnt sie dann und wann. Und auch die Damen aus dem Hen­ri­et­ten­stift, das direkt neben der Adler-Apo­theke im alten Vogts­haus liegt, haben ein Auge auf die Kin­der. Mil­ler erin­nert sich lachend: »Wenn ich als Bub geschrien hab, kamen die alten Damen auf die Ter­rasse und haben mei­nen Vater als Raben­va­ter beschimpft. Ich hatte also eine gute Bezie­hung zu den Damen.« So ent­steht schon in jun­gen Jah­ren ein fes­tes Band zum Hen­ri­et­ten­stift. Mil­ler beschreibt seine Jugend als »schön, mit Freun­den, viel Sport, Ten­nis. Wir haben viel unter­nom­men.« Nach dem Gym­na­sium verlässt er Kirch­heim und stu­diert, wie kann es anders sein, Phar­ma­zie in Tübin­gen. »Ich hatte ein Fai­ble für Kunst und Archi­tek­tur, wusste aber, dass ich nicht genug Talent habe«, gesteht er rückbli­ckend.

Nach dem Stu­dium zieht es ihn nach Ber­lin. Seine erste Frau, die er während des Stu­di­ums ken­nen­lernt, über­nimmt dort die Apo­theke ihres Vaters. Er selbst arbei­tet an der Uni und pro­mo­viert. Sohn Daniel kommt zur Welt. Fünf Jahre sind sie in Ber­lin, dann wird Mil­lers Mut­ter krank und die junge Fami­lie geht zurück nach Kirch­heim. Mit 29 Jah­ren über­nimmt er die elter­li­che Adler-Apo­theke. Ein wei­te­res Kind, eine Toch­ter, wird in Kirch­heim gebo­ren. Zurück in der Hei­mat enga­giert sich Mil­ler in der Kom­mu­nal­po­li­tik, wird mit Mitte 30 in den Gemein­de­rat gewählt. Dort ist er heute noch aktiv. Mit Mitte 40 wird ihm ein wei­te­res Amt ange­tra­gen.

Das Hen­ri­et­ten­stift ist mitt­ler­weile vom Vogts­haus in die Bis­marck­straße umge­zo­gen. Er lie­fert als Apo­the­ker nach wie vor die Medi­ka­mente. Ein Freun­des­kreis soll gegründet wer­den, ob er nicht Vor­sit­zen­der wer­den will? So beginnt 1992 sein Enga­ge­ment fürs Hen­ri­et­ten­stift. Ziel des Freun­des­krei­ses ist, den All­tag der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner durch Spen­den zu erleich­tern. Der Freun­des­kreis besteht aus 20 bis 25 Mit­glie­dern. »Mir wars wich­tig, lie­ber weni­ger und schlagkräftig, als zu viele, mit denen es Zoff und Ärger gibt«, erklärt Mil­ler. Um zu wis­sen, was gebraucht wird, ist er in engem Kon­takt mit der jewei­li­gen Ein­rich­tungs­lei­tung und später auch den Lei­tun­gen der Sozia­len Betreu­ung. Er erlebt in den 29 Jah­ren, in denen er den Vor­sitz hat, sechs bis acht Lei­tun­gen, alle ver­schie­den: »Streng, nicht so streng, locker«. Zwei der tolls­ten Pro­jekte, an die sich Mil­ler erin­nert, waren die Gar­ten­ge­stal­tung am Stand­ort Bis­marck­straße und die Kun­stauk­tio­nen. »Den Gar­ten haben wir zu einer rich­ti­gen grünen Lunge umge­stal­tet«, erzählt Mil­ler. Und die Kun­stauk­tio­nen waren »ein Rie­sen-Auf­wand«, aber mit großer Außenwir­kung. »Da haben wir in die kunst­af­fine Gesell­schaft ein­ge­wirkt«. Neben den großen, kos­ten­aufwändi­gen Pro­jek­ten gibt es viele kleine. Auch Flops sind dabei. »Das Was­ser­bett zum Bei­spiel – nicht alles kommt so an, wie man es wollte.«

29 Jahre später hat jetzt Sohn Daniel den Vor­sitz über­nom­men. Mil­ler selbst bleibt Mit­glied und wird wei­ter unterstützen. Das Amt sei nie eine Belas­tung gewe­sen, son­dern »eine schöne Ergänzung, tätig zu sein für alte Men­schen, die nicht die Lobby haben, die man sich wünscht.«

Nun aber ist es genug. »Ich werde die­ses Jahr 75 Jahre alt. Jetzt freu ich mich auf meine Frei­heit. Den Vor­sitz vom Freun­des­kreis hab ich abge­ge­ben, bei ande­ren Ämtern beende ich nur noch die lau­fende Peri­ode.« Und was fängt er dann mit der Frei­heit an? »Die ande­ren ärgern«, sagt er und lacht. Pri­vat wünscht er sich Gesund­heit, damit er mit sei­ner zwei­ten Frau Ange­lika und Hund Sunny größere Tou­ren machen kann. »Bali, Indien, Ame­rika, das mache ich nicht mehr. Fern­rei­sen sind gestri­chen. Aber Schweiz, Öster­reich, Südti­rol, das liegt noch in mei­ner Reich­weite. Ich habe immer so eine Liste mit Städten, die eine Auss­trah­lung haben. Die will ich noch mal sehen.«